Bewohner von Alten- und Pflegeheimen sollen großflächig getestet werden.

Foto: Heribert Corn

Die Stadt Wien stellt ihre Teststrategie um, wie DER STANDARD erfuhr. Das betrifft vor allem Alten- und Pflegewohnheime, Spitäler und Sozialeinrichtungen, die großflächig gescreent werden sollen. Die Stadt sicherte sich dafür vorsorglich die Option auf ein Kontingent von zwei Millionen Antigentests. 20.000 Stück liegen schon vor. Sollte ein besseres Produkt in der Zwischenzeit auf den Markt kommen, könne man noch umsatteln.

In den vergangenen Wochen wurden die Schnelltestverfahren bereits in Pflegeheimen ausprobiert. Nachdem diese Erfahrungen zufriedenstellend verlaufen seien, wie es aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) heißt, weite man das Konzept nun aus.

Start kommende Woche

Die Lieferungen der Tests erfolgt chargenweise. Die ersten Schwerpunkttestungen in Pflegewohnheimen starten am 3. November. Bewohner von etwa zehn bis zwanzig Einrichtungen sollen dann pro Tag getestet werden.

Die Tests werden von 20 Teams, die aus Sanitätern und Administrationskräften bestehen, durchgeführt werden. Nach etwa neun Tagen soll die Aktion abgeschlossen sein. So wolle man das "Ausbruchsgeschehen in den Heimen frühzeitig eindämmen", heißt es.

Tests für die Grippezeit

Zudem sollen Personen mit Symptomen in sogenannten Ordinationscontainern ("Checkboxen") ebenfalls per Schnelltest getestet werden, und, sofern es sich nicht um Corona handelt, direkt vor Ort behandelt werden. Es handelt sich nicht um Teststraßen, sondern so soll Personen, die in der Grippezeit erkranken, ein Arztbesuch ermöglicht werden, ohne in einer Ordination eine mögliche Infektionsquelle darzustellen. Das Projekt soll kommende Woche an drei Pilotstandorten starten und bei Erfolg an 30 Standorten in Wien umgesetzt werden.

Beim Antigenschnelltest liegt das Ergebnis innerhalb von wenigen Minuten vor. Sollte jemand, auch in einer Checkbox, positiv getestet werden, wird über den Arzt direkt eine Absonderung ausgesprochen und der oder die Betroffene muss in Quarantäne.

Fälle nehmen zu

In vielen Heimen die Cluster – bundesweit – derzeit wieder zu. Etwa in Niederösterreich, wo jüngst besonders viele Fälle vermeldet wurden: In einem Heim in Amstetten wuchs die Zahl der Infizierten inklusive Folgefällen auf 61 an, in Gänserndorf waren es 52. Auch in einem Heim in Pinkafeld (Burgenland) wurden 54 Fälle nachgewiesen.

Laut einer Einmeldung der Fälle aller Bundesländer an den Bund vom Mittwoch, die dem STANDARD vorliegt, gibt es 844 aktuell bestätigte Fälle unter Bewohnern und 404 unter dem Personal in Alten- und Pflegeheimen.

Laut dem Gesundheitsministerium handelt es sich dabei jedoch um eine unvollständige Darstellung: Denn durch die dezentrale Organisation könne sich "die Struktur der Einrichtungen regional stark unterscheiden". Die Zahlen würden daher für den Krisenstab nur als "loser Indikator" dienen. Einen genaueren Überblick gibt es aber nicht.

Warnsignale

Doch kommt die Zunahme an Neuinfektionen wirklich überraschend? Für den Infektiologen Herwig Kollaritsch hatten sich die Warnsignale bereits am Horizont abgezeichnet, wie er zum STANDARD sagt: "Die Vulnerablen sind wieder stärker betroffen. Wir hatten es im Griff, und jetzt entgleitet es uns wieder." Verantwortlich dafür seien Cluster, die sich von den Reiserückkehrern im Sommer jetzt in die Familien verlagert hätten. Deshalb könne man die Zahl diesmal auch nicht wieder so schnell reduzieren wie zuvor.

In den Bundesländern gelten unterschiedliche Regeln. Im Burgenland wurden sie gerade verschärft, in der Steiermark wird dies angedacht. Bis vor kurzem sei nicht klar gewesen, ob einzelne Träger Vorgaben machen dürfen, sagt Markus Schwarz von der Senecura-Gruppe, die 84 Pflegeeinrichtungen betreibt. Dass man jetzt Besuche regeln dürfe, sei "natürlich ein Vorteil".

In Wien gelten allerdings schon lange strenge Maßnahmen in Pflege- und Altenheimen. So sind zum Beispiel in der Regel nur zwei Besucher pro Bewohner erlaubt. Die Besuchszeiten müssen vorab vereinbart werden. (Vanessa Gaigg, Julia Palmai, 28.10.2020)