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Der Rhodesian Ridgeback scheint sich auf den ersten Blick gar nicht so sehr von europäischen Hunderassen zu unterscheiden, doch seine genetischen Wurzeln liegen im südlichen Afrika.
Foto: Markus Schreiber/AP/dapd

Ein internationales Forscherteam mit österreichischer Beteiligung ist weit in der Zeit zurückgegangen, um die Geschichte der Ausbreitung von Menschen und Hunden zu untersuchen. Wie erwartet zeigten sich zwischen den beiden Partnern klare Parallelen – es gab allerdings auch den einen oder anderen Ausreißer: Fälle, in denen es bei der einen Spezies zu einer Ausbreitungswelle kam, an der die andere anscheinend nicht teilnahm.

Genetische Vielfalt

Ein Team um Pontus Skoglund vom Francis Crick Institute in London, Greger Larson von der Universität Oxford und Ron Pinhasi vom Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien sequenzierte das Erbgut von 27 Hunden, die vor bis zu 11.000 Jahren in Europa und Asien lebten. Die DNA gewannen die Forscher aus dem Felsenbein (Pars petrosa ossis temporalis), einem gut geschützten Knochen im Innenohr, der auch bei menschlichen Skeletten die bevorzugte Quelle für alte DNA ist.

Schon unmittelbar nach der letzten Kaltzeit gab es laut Skoglund weltweit eine große Vielfalt an Hunden. Es existierten damals mindestens fünf verschiedene Hundeformen mit unterschiedlichster genetischer Abstammung – zwei aus Karelien in Nordosteuropa und beim Baikalsee in Sibirien, eine aus der Levante, eine alt-amerikanische und eine aus Neuguinea. Dies deutet darauf hin, dass die heutige Vielfalt von Hunden bereits aus einer Zeit stammt, in der Menschen noch Jäger und Sammler waren.

Treffen der Generationen: Der Hund Gogo mit den Schädeln entfernter Verwandter, die im Rahmen der Studie untersucht wurden.
Foto: Guy Bar-Oz/Haifa University

Zugleich zeigte die Studie, dass diese ursprüngliche Vielfalt heute so nicht mehr existiert. Dafür sind unter anderem zwei Wellen der Ausbreitung eines bestimmten Hundetyps verantwortlich. Eine davon ist historisch gut rekonstruierbar, sie hängt mit der Ausbreitung der Europäer im Zeitalter des Kolonialismus zusammen. Hunde europäischen Ursprungs reisten so um die ganze Welt, und ihr Erbgut stellt heute den Hauptanteil bei den meisten Hundepopulationen weltweit. Altes, "vorkoloniales" Erbe trügen laut den Forschern bloß noch ein paar Rassen wie der Chihuahua aus Mexiko oder der Rhodesian Ridgeback aus Südafrika in sich.

Unerklärliche Ausbreitung einer Abstammungslinie

Schon lange vorher hatte es aber innerhalb Europas eine ähnliche Welle gegeben – und deren Ursachen sind weit weniger klar. Die erste europäische Hundepopulation ging laut Anders Bergström vom Crick Institute aus einer Mischung von zwei Populationen hervor: Eine davon stammte aus dem Nahen Osten, die andere aus Sibirien. Die Kombination der beiden ergab eine Mischung mit hoher Vielfalt.

Vor rund 5.000 Jahren kam es jedoch zu einer einschneidenden Veränderung: Eine vergleichsweise kleine Gruppe von Hunden aus dem Südwesten von Schweden verbreitete nun ihre Gene auf dem ganzen Kontinent und löschte die vorherige Vielfalt aus. Rätselhaft ist dies deshalb, weil sich im menschlichen Erbgut bislang keine Spuren finden ließen, dass sich bei den damaligen Europäern ein parallel verlaufender Prozess von Wanderung und Ausbreitung abgespielt hätte.

"Obwohl die europäischen Hunde, so wie wir sie heute kennen, eine so außergewöhnliche Vielfalt an Gestalten und Formen aufweisen, stammen sie genetisch gesehen nur von einer sehr begrenzten Teilmenge der damaligen Vielfalt ab", sagt Bergström. Wie und warum sich bei den Hunden just diese skandinavische Abstammungslinie durchgesetzt hat, gilt es noch herauszufinden.

Wanderungen mit und ohne Begleitung

Insgesamt verlief die Entwicklung der Hunde erwartungsgemäß sehr oft parallel zu den Entwicklungen bei den Menschen, berichten die Forscher. Als etwa die ersten Jungsteinzeit-Bauern aus dem Nahen Osten nach Europa kamen, waren sie wohl in Begleitung ihrer Hunde. Und genauso, wie sich die menschlichen Ankömmlinge teils mit den Einheimischen mischten, passierte dies auch bei den Vierbeinern.

Aber auch hier gibt es Ausnahmen: Als gegen Ende der Jungsteinzeit eine Einwanderungswelle bäuerlicher Nomaden aus der eurasischen Steppe nach Europa kam, änderte sich bei den Hunden in der Folge kaum etwas. Daraus lässt sich nur der Schluss ziehen, dass diese Menschen keine Hunde mitgebracht hatten.

Vermischung mit Wölfen

Zu guter Letzt wies die DNA-Analyse auch darauf hin, dass es immer wieder zu Paarungen zwischen Hunden und Wölfen kam. Im Ergebnis scheint diese Vermischung aber recht einseitig gewesen zu sein: Hunde-DNA blieb immer wieder in regionalen Wolfspopulationen erhalten. Umgekehrt hinterließen Wölfe seit mindestens 11.000 Jahren nur mehr selten Spuren in den Genomen ihrer domestizierten Vettern. Nachdem die Hunde also irgendwann vor 40.000 bis 25.000 Jahren aus Wölfen entstanden waren, entwickelten sie sich weitestgehend ohne deren Einfluss weiter. (red, APA, 29. 10. 2020)