Bestsellerautorin Meg Wolitzer hat sich mit ihren mittlerweile 13 Romanen in die erste Liga der US-Literaten geschrieben.

Foto: Nina Subin

Ich habe die volle Kontrolle", beschreibt Meg Wolitzer ihr Dasein als Schriftstellerin (siehe Vorabdruck: "Am Anfang schrieb ich für sie") und unterscheidet sich damit stark von den Protagonistinnen ihres gerade auf Deutsch neu erschienenen Romans Das ist dein Leben.

Dottie Engels, alleinerziehende Mutter, und deren Töchter Opal (11) und Erica (16) haben im Laufe dieses Familienromans eben nicht die "volle Kontrolle" über ihre Leben. Obwohl der Plot dieses dritten Romans der New Yorker Bestsellerautorin, der im Original bereits 1989 erschienen ist, auf einem Akt der Selbstermächtigung beruht.

Diese Dottie Engels verlässt ihren Mann, erfindet sich neu und hat damit Riesenerfolg. Als übergewichtige Frau reißt sie Witze über sich selbst und wird in den 70er-Jahren und frühen 80er-Jahren zum Comedy-Superstar und US-Publikumsliebling, der zwischen Los Angeles und New York hin- und herjettet. Die von Babysittern betreuten Mädchen sehen ihre Mutter mittlerweile mehr im Fernsehen als im Luxusapartment an Manhattans Upper West Side.

Spagat zwischen Kindern und Karriere

Aber das ist nur der Anfang der Geschichte über Mutter-Tochter-Konflikte, Promikinder, abwesende Väter, Erwachsenwerden und weibliche Identitäten. Was Wolitzers Roman, der vor mehr als 30 Jahren geschrieben wurde, auch bestens beweist, ist, dass die alten Themen – wie der Spagat von Frauen zwischen Kindern und Karriere oder der Abnabelungsprozess zwischen Eltern und Kindern – nie alt sind.

"Es ist ihr Leben! Nicht deins! Lass sie in Ruhe", sagt irgendwo in der Mitte des Romans eine College-Freundin zu Opal, und dieser Satz gilt für alle Figuren und deren mitunter unkontrollierbare Lebensentwürfe. Die mittlerweile 20-jährige Opal kann den "Abstieg", wie sie es nennt, der eigenen Mutter nicht verwinden.

Meg Wolitzer, "Das ist dein Leben". Übersetzt von Michaela Grabinger. 24,–Euro / 378 Seiten. Dumont, 2020

Veränderung als Konstante: Plötzlich lacht niemand mehr über dicke Frauen. Und Dottie selbst, laut Roman "eine riesige autonome Maschine, die aß, Witze riss und Wärme und Licht produzierte", kann das am wenigsten verstehen: "Jetzt heißt es, mein Humor würde Frauen beleidigen."

Das ist dein Leben ist auch eine Zeitreise, ein Ausflug ins New York der 70er- und 80er-Jahre. Eine Art Nachlese eines sicher nicht heilen Amerika, aber noch harmloseren Amerika, eines, in dem Trump schon existiert, sich Genderdebatten langsam anbahnen, Rassenkonflikte an die Oberfläche kommen und sich eine gesellschaftliche Spaltung abzeichnet. Und wie für den Roman von Meg Wolitzer gilt auch für Amerika: Das dicke Ende kommt noch. (Mia Eidlhuber, ALBUM, 1.11.2020)