Ein Sinnbild für die breite Ablehnung Donald Trumps vonseiten der Popmusik: das Hip-Hop-Trio Clipping. Seine Musik verströmt Endzeitgefühle – auch für Trump.

Foto: Sub Pop / Cristina Bercovitz

Im US-Wahlkampf gab es eine zwar nur am Rande stattfindende, aber doch erstaunliche Diskussion: jene, ob sich schwarze Kirchen in den Wahlkampf einbringen sollten. Das verwunderte.

Schließlich waren die Kirchen Geburtshelfer der US-Bürgerrechtsbewegung der 1960er. Sie waren jene Orte, an denen Schwarze als Nachfahren der Sklaven ihre Kultur und ihre bescheidene Freiheit ausleben konnten – denn selbst nach Abschaffung der Sklaverei 1865 hatte sich für viele wenig geändert. Deshalb wurde in den Kirchen auch Politik gemacht.

Führende Bürgerrechtler wie Martin Luther King waren Reverends, deren politische Reden deutlich ihren Ursprung im Sermon erkennen ließen, der im Unterschied zu angelsächsischen Messen von Leidenschaft und Dialog geprägt war und ist.

Abgrenzung gegenüber dem Profanen

Die Verzagtheit manch schwarzer Kirche liegt einerseits in der traditionellen Abgrenzung der Gemeinden gegenüber dem Profanen. Wenn früher Gospelkünstler weltlichen Verführungen wie Geld und Prominenz nachgaben und zum Soul wechselten, wurde das beklagt, manche Sänger gar verstoßen.

Als wiederkehrendes Argument gegen ein politisches Engagement der Kirchengemeinden wurde heute immer wieder Hip-Hop genannt, der agitiere ausreichend.

Früher galt der Blues als Musik des Teufels, heute scheint Hip-Hop diese Rolle einzunehmen. Viele schwarze Gläubige sehen ihn mit gemischten Gefühlen, wittern in ihm mehr Gefahr als Erlösung: Die Inszenierungen vieler Protagonisten als notgeile Bitches oder bewaffnete Gangster sind für sie vor Gott nicht zu rechtfertigen.

Orte der Auszeit

Hinzu kommt, dass die Messe gerade für den schwarzen Mittelstand ein Ort der Auszeit ist. Der Alltag und seine Nachrichten sind mühsam genug, man will nicht auch in der Kirche daran erinnert werden. Von jedem Radikalismus wendet man sich in einer Mischung aus Furcht und Ekel ab. Der berühmte Gospelmusiker Thomas A. Dorsey hat gesagt: "Gospel is good news" – Gospel verkündet die frohe Botschaft. Damit kann Hip-Hop nicht dienen.

Hip-Hop ist als Kunst der Straße eher hart und direkt. Als eine von Alltagserfahrungen zehrende Form hat sie immer Rassismus und Polizeigewalt angeprangert. Oft in einer Sprache, derentwegen die Ehegattin des früheren Vizepräsidenten Al Gore, Tipper Gore, einen Warnhinweis durchgesetzt hat: Auf Hip-Hop-Alben mit deftiger Lingo kleben bis heute Sticker mit dem Hinweis "Parental Advisory: Explicit Lyrics". Was Gore als moralische Ächtung erdacht hatte, galt der Kundschaft schnell als Gütesiegel.

Der Rassismus des US-Präsidenten Donald Trump hat Hip-Hop in den letzten Jahren wieder stärker politisiert, nachdem er mit Barack Obama einen Präsidenten im Weißen Haus gehabt hatte, der mit dieser Kultur aufgewachsen war und sie verstanden hatte. Trump nicht.

Chicks ohne Dixie

Public Enemy verstehen Hip-Hop als "schwarzes CNN", als Nachrichtenmedium, das aus der Sicht der Afroamerikaner berichtet. Seine Sendekraft multiplizieren heute die sogenannten sozialen Netzwerke: Junge wie alte Hip-Hopper agitieren gegen Trump; am entschlossensten ereifern sich die ersten Generationen, deren Werk an den Soul und Funk der 1960er- und 1970er-Jahre anschloss.

Trumps Politik hat die Bewegung Black Lives Matter (BLM) zu einer neuen Bürgerrechtsbewegung gemacht. Zwei Drittel der US-Amerikaner haben heute Verständnis für die Anliegen von BLM, so viele wie noch nie. Und wie in den 1960ern solidarisierte sich die weiße Popkultur: von den Garagenrockern Des Demonas (The South Will Never Rise Again) bis zu den Country-Damen Dixie Chicks.

Letztere haben den Begriff Dixie als Synonym für den (rassistischen) Süden aus ihrem Bandnamen gestrichen. Einen ähnlichen Schritt setzte die Band Lady Antebellum. Der Begriff Antebellum gilt als verklärend interpretierte Bezeichnung für die Zeit vor dem US-Bürgerkrieg (1861–1865), der das Ende der Sklaverei brachte.

Aus Lady Antebellum wurde Lady A. Dann stellte die Band aus Nashville fest, dass es eine Bluessängerin gibt, die seit den 1980ern als Lady A auftritt – und war sich nicht zu dumm, die schwarze Sängerin zu verklagen. Trotz solcher Kollateralblödheiten herrscht im Pop ein Schulterschluss von Schwarz und Weiß gegen Trump und alles, wofür er steht.

Alles ist besser als Trump

Der jungen Billie Eilish macht die Klimakrise Angst – Trump und viele in seiner Partei stellen diese immer wieder infrage. Man kann sich ausrechnen, wen die Millionen Fans des Shootingstars der letzten beiden Jahre wählen, wenn sie es denn tun. Dazu aufgerufen hat Eilish.

Dass Biden kein Wunschkandidat ist, geschenkt: Alles ist besser als Trump, lautet der Tenor. Vor allem die Spaltung der Gesellschaft beängstigt alle Altersgruppen, und dafür macht fast jeder Trump verantwortlich.

Wie ein Sinnbild wider dessen Politik der Ressentiments und Sündenböcke erscheint eine Band wie Clipping. Sie besteht aus Daveed Diggs, William Hutson, Jonathan Snipes – einem Schwarzen und zwei Weißen aus Los Angeles, die auf dem für Rockmusik berühmt gewordenen Label Sub Pop (Nirvana etc.) veröffentlichen. Sie haben eben ihr Album Visions of Bodies Being Burned veröffentlicht.

Ihr Hip-Hop ist zutiefst politisch, beleiht Billie Holiday ebenso wie Musique concrète. Daraus entstehen verstörende Collagen: Endzeitstimmung, Apokalypse Wow! Es klingt wie der Soundtrack zum Ende der Ära des Donald Trump – oder zu deren Verlängerung. (Karl Fluch, 2.11.2020)