Ob Mathieu, Henri oder Claude: Von den immer schön verpackten "Monsieur-Filmen" des französischen Unterhaltungskinos lässt sich das Publikum europaweit gern zur schmerzlosen Problembewältigung hinreißen. Generationenkonflikte, Schicksalsschläge oder religiös-kulturelle Differenzen werden da stets in geschmeidiger Weise abgehandelt.
An diesen zeitgenössischen Geschichten bedient sich auch ein Theater, das nach neuer, aber leichter Dialogdramatik sucht. Die Kammerspiele des Theaters in der Josefstadt wurden nun bei Stéphane Robelins Filmkomödie Monsieur Pierre geht online (2017) fündig. Folke Brabands Bühnenfassung über den aus der Witwereinsamkeit ins Virtuelle aufbrechenden Rentner erlebte am Donnerstag ihre Premiere.
Einen neuerlichen Lockdown erahnend, setzte das Publikum noch vor Vorstellungsbeginn in Vorab-Wehmut zu einem herzhaften Applaus an. Wird die Spielserie wie geplant weiterlaufen können? Es ist mehr als vage. Umso gieriger wurde dann zugeschaut und -gehört.
Gleich zu Beginn der – Hightech und Patina friedlich verschmelzenden und versiert abschnurrenden – Inszenierung Werner Sobotkas sitzt der pensionierte Buchhändler Pierre (Wolfgang Hübsch) wie der vergessene Zauberer Prospero in den Regalkatakomben seiner Pariser Bücherwohnung (Bühne: Walter Vogelweider). Seit zwei Jahren ist Pierre Witwer, seine Lebensfreude perdu, die Strickweste wechselt er nur mehr selten. Als seine Tochter (Susa Meyer) einen Laptop ins Haus bringt und den Internetlehrer Alex (Claudius von Stolzmann) noch dazu, zieht aber wieder Freude auf.
Analoge und digitale Lügen
Monsieur Pierre lernt auf einer Partnerplattform Flora (Martina Ebm) kennen. Allerdings – das bringen schnelle falsche Klicks mit sich – ziert nicht sein eigenes Konterfei, sondern ein Foto des jungen Internetlehrers sein Profilbild. Pierre ist also drauf und dran, eine Beziehung mit einer Frau im Alter seiner Enkelin zu starten. Der Schein trügt aber auch im analogen Leben: Denn der vermeintliche Internetpädagoge ist in Wahrheit der neue Freund der echten Enkelin (Larissa Fuchs).
Und jetzt kommt‘s: Beim ersten realen Date muss Alex die Profilbildmisere seines betagten Internet-Schützlings ausbaden und sich in dessen Namen zum Rendezvous begeben. Match! Das junge Paar verliebt sich. Der elegante Ghostchatter, ein moderner Cyrano, muss das Feld räumen. Das scheint egal zu sein, das Netz ist voller potenzieller Partnerinnen, so die etwas grobe dramaturgische Lösung.
Es ist der Abend des Wolfgang Hübsch. Er tänzelt in der Titelrolle die schönsten Renitenznummern herbei. Den Aufmunterungsversuchen seiner Tochter begegnet er mit kauzigen Gesten; er heftet sich vergnügliche Blicke des Entsetzens an und wächst in die Rollen eines Otto Schenk hinein, die immer schelmisch und ernsthaft zugleich sind. Das Digitalvokabular schmettert er genüsslich ab; statt Browser versteht er immer nur Brause! Mit dem "Teufelszeug" Internet schließt er aber doch Frieden, so wie es sich für konformistisch glatte Filmkomödien dieses Zuschnitts gehört. (Margarete Affenzeller, 30.10.2020)