Ein Abendessen, das für Unbehagen sorgt: Jeff Daniels (li.) als James Comey und Brendan Gleeson als Donald Trump in "The Comey Rule".

Foto: Ben Mark Holzberg/CBS.

Als FBI-Direktor James Comey in den Raum für ein gemeinsames Essen mit dem neuen US-Präsidenten geführt wird, bestätigen sich seine schlimmsten Befürchtungen: keine Runde mit mehreren Gästen, sondern ein Abend zu zweit mit Donald Trump. Während das Verhältnis zu Amtsvorgänger Barack Obama von professioneller Distanz bestimmt war, sucht Trump zunächst die Nähe Comeys. Und fordert in einer Mischung aus Schmeicheleien, Angeberei und latenter Drohung vor allem eines ein: Loyalität. Als Comey ein Gedächtnisprotokoll dieser Begegnung einem Mitarbeiter zeigt, merkt dieser zu Trump an: "So spricht ein Mafiaboss."

Weg zur Präsidentschaft

Es sollte dauern, bis die Umstände dieser Begegnung öffentlich gemacht wurden. Auch in der dreieinhalbstündigen Showtime-Miniserie The Comey Rule, ab Montag auf Sky verfügbar, ist sie wie eben auch Trump erst in der zweiten Hälfte zu sehen. Trump, beziehungsweise der Weg zu seiner Präsidentschaft, verleiht dem Zweiteiler aber von Anfang an seine Dramatik. Immerhin gilt Comeys umstrittene Bekanntmachung der FBI-Entscheidung, nur elf Tage vor der Präsidentschaftswahl 2016 die Ermittlungen in der E-Mail-Affäre gegen Hillary Clinton wiederaufzunehmen, für viele politische Beobachter als ein entscheidender Faktor für den damaligen Wahlausgang.

Regisseur und Autor Billy Ray, verantwortlich für die Drehbücher zu Captain Phillips und Clint Eastwoods Richard Jewell, fokussiert auf die Jahre 2015 und 2016, in denen Comey und das FBI nicht nur in der Clinton-Affäre, sondern deutlich stiller auch wegen der Einmischung der Russen in den US-Wahlkampf ermittelten. Als Basis fungiert Comeys Bestseller A Higher Loyalty: Truth, Lies and Leadership.

Erzählung der Memoiren

Zwar beginnt The Comey Rule mit einer Collage aus kontroversiellen Newsclips und einer Rahmenerzählung, in der ein Juristenkollege Comey als "showboat", als selbstgerechten Schaumschläger bezeichnet. Danach hält sich der Zweiteiler aber erst recht an die Erzählung der Memoiren, laut der wir es mit einer individuellen Tragödie, den inneren Kämpfen eines rechtschaffenen Mannes zu tun haben, der seine noblen Ideale, allen voran die Glaubwürdigkeit des FBI, über alles stellt.

SHOWTIME

Jeff Daniels, der bereits ähnlich hochmütige Charaktere in den Serien The Newswoom und The Looming Tower spielte, erweist sich nicht nur wegen seiner Comey ähnlichen Statur als Idealbesetzung. Den FBI-Chef zeichnet er als beliebten Chef und Familienvater, der mit seinem hehren Anspruch der Unparteilichkeit bei Trump an seine Grenzen stößt.

Jeff Daniels.
Foto: Ben Mark Holzberg/CBS.

Pate statt Clown

Dass Trump leicht als Clown zu parodieren ist, erweist sich nicht selten als Darstellerfalle. Selbst Brendan Gleeson erinnert mit seinen geschürzten Lippen zuweilen an Alec Baldwins Saturday Night Live-Parodie. In seinen stärksten Momenten interpretiert er den US-Präsidenten erschreckend plausibel als narzisstischen Paten, der es unvermittelt schafft, seine Umgebung unter Druck zu setzen.

Anders als die Filme, mit denen sich das New Hollywood an der Zerrissenheit der USA der Nixon-Ära abarbeitete, lässt The Comey Rule inszenatorische Verve weitgehend vermissen. Bedeutsamkeit wird fast immer mit melodramatischen Mitteln suggeriert. Wenn Comey oder Helen Hunt als stellvertretende Generalstaatsanwältin die Bedeutung von Institutionen beschwören, dann nicht ohne vor Pathos triefende Musikbegleitung.

Realität als Widerspruch

Bei allen Schwächen bleibt The Comey Rule aber jedenfalls sehenswert und gerade auch dort interessant, wo sich die Realität als Widerspruch einstellt. So wird Comey als Fortsetzung einer langen Linie einzelkämpferischer US-Helden inszeniert. Unübersehbar ist am Schluss nicht nur der Held gefeuert, seinetwegen sind auch die Institutionen schwer angeschlagen. Die Rechnung zahlen alle.

Regisseur Ray, der in einem ernüchternden Finale auf die anhaltenden russischen Interventionen bei der aktuellen US-Wahl hinweist, hat in den USA bekanntermaßen interveniert, damit The Comey Rule noch vor dem Wahltermin ausgestrahlt wurde. Trump hat davon wohl unberührt in aller Stille ein Dekret ("Schedule F") erlassen, mit dem er in einer zweiten Amtszeit tausende Bundesangestellte entlassen könnte. Nicht zuletzt dann, wenn sie "illoyal" waren. (Karl Gedlicka, 1.11.2020)