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Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bei der Pressekonferenz am Samstag

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

"Uns ist bewusst, dass diese Maßnahmen unpopulär sind", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Samstagabend im Bundeskanzleramt. "Aber sie sind leider Gottes notwendig". Daher präsentierte er ein Paket mit "harten Maßnahmen", das die steigenden Corona-Zahlen drücken soll.

Sie gelten ab 3. November, 0.00 Uhr, und voraussichtlich bis zum 30. November. Am Sonntag sollen sie mit türkis-grüner Mehrheit den Hauptausschuss des Nationalrats passieren, dann steht einer Umsetzung nichts mehr im Weg.

Die wichtigsten Punkte:

  • Ausgangsbeschränkungen: Zwischen 20 Uhr abends und 6 Uhr früh darf der private Wohnbereich nur wegen bestimmter Gründe verlassen werden. Dazu zählen die Gefahrenabwehr, Hilfeleistung und Betreuung, die Deckung von "notwendigen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens", berufliche Zwecke sowie der "Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erholung". Auch um familiäre Rechte zu wahren und um familiären Pflichten nachzukommen, darf man hinaus. Man darf auch Nachtspaziergänge unternehmen. Am 12. November muss diese Regelung verlängert werden, der Hauptausschuss kann sie nur für zehn Tage beschließen.

  • Sämtliche Veranstaltungen werden – auch untertags – abgesagt, lediglich Zusammenkünfte beruflicher Natur oder "von nicht mehr als sechs Personen" aus zwei Haushalten mit höchstens sechs zusätzlichen Minderjährigen bleiben erlaubt. Das gilt, so hieß es bei der Pressekonferenz von Kurz, sowohl im öffentlichen Bereich als auch im Privatbereich. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) betonte jedoch, dass die Polizei nicht in Wohnungen Nachschau halten werde, um Besuche zu kontrollieren.

  • Im Gegensatz dazu gibt es nun eine Definition von Orten, "die nicht der Stillung eines unmittelbaren Wohnbedürfnisses dienen" – etwa Garagen, Gärten, Schuppen und Scheunen sind vom privaten Wohnraum ausgenommen –, da werde es künftig sehr wohl Kontrollen geben, sagte Nehammer, auch dort gelte die Zwei-Haushalte-Regel. Ab 20.00 Uhr gelte ohnehin das Besuchsverbot.

  • Verstößt man gegen diese neuen Regeln, dann drohen empfindliche Strafen. Eine Verwaltungsübertretung kann nach dem Covid-19-Maßnahmengesetz bis zu 1.450 Euro kosten. Beweise dafür, warum man nachts auf der Straße ist, müsse man aber nicht erbringen, sagte Nehammer – es reiche, glaubhaft zu machen, dass man eine der fünf Ausnahmen erfüllt.

  • Partieller Shutdown: Das Gastgewerbe sperrt zu, Lieferdienste bleiben erlaubt. Kurz argumentierte am Samstag diese drastischen Maßnahmen damit, dass in der Gastronomie und in anderen Bereichen viele Menschen zusammenkommen würden, immerhin sei das auch deren Geschäftszweck. Freizeiteinrichtungen sind im November ebenfalls geschlossen. Dazu zählen auch Tierparks im Freien sowie Fitnessstudios und Hallenbäder. Sportveranstaltungen mit Körperkontakt sind verboten, außer im Spitzensport. Tourismus wird ebenfalls unterbunden, außer es handelt sich um Geschäftsreisen oder ein "dringendes Wohnbedürfnis" muss gestillt werden. Die Bibliotheken bleiben offen.

  • Handel und Friseure bleiben offen: Der Einzelhandel muss, im Unterschied zum Frühjahr, nicht dichtmachen. Allerdings soll die Anzahl der Kunden reduziert werden, und zwar müssen je Kunde zehn Quadratmeter zur Verfügung stehen, Friseure und andere "körpernahe" Dienstleistungen bleiben offen – hier gilt die Zehn-Quadratmeter-Regel nicht.

  • Sportstätten in Innenräumen müssen schließen. Sportstätten im Freien sind weiterhin offen, solange dort Einzelsportarten ausgeübt werden, sagte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Ausnahmen gibt es für den Spitzensport.

  • Schulen und Universitäten: Ab der Oberstufe wird wieder auf Distance-Learning umgestellt. Kindergärten, Volksschulen und Unterstufe bleiben offen. Das wird vermutlich über die Bildungsampel oder eine eigene Verordnung geregelt werden. Man folge mit dem Offenhalten der Schulen dem Wunsch vieler Parlamentsparteien und der Landeshauptleute, sagte Kurz, der aber auch betonte, dass sie nur vorerst offen bleiben. Man beobachte nun das Infektionsgeschehen in den Schulen.

  • Religionsausübung: Bleibt erlaubt, die Religionsgemeinschaften sollen eigene Regeln treffen. Begräbnisse sind für bis zu 50 Personen möglich – mit Mindestabstand und Mundschutz. Hochzeiten sind am Standesamt möglich.

  • Alters-, Pflege-, Behindertenheime: Mitarbeiter sollen einmal pro Woche getestet werden; Besucher müssen einen maximal 24 Stunden alten Antigen-Test oder einen 48 Stunden alten PCR-Test vorlegen oder eine eine CPA-Maske oder eine höherwertige Maske tragen. Jeder Bewohner darf nur einen Besucher alle zwei Tage empfangen. Bis Mitte November dürfen die Besucher pro Bewohner nur zwei unterschiedliche Personen sein. Ausnahmen gibt es etwa in der Palliativ- und Hospizbegleitung. Krankenhäuser und Kuranstalten sollen für die Besucherregelungen individuelle Konzepte vorlegen. Man habe daher drei Millionen Antigentests bestellt, um umfassend zu testen, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Auch die Schutzregeln für Risikogruppen und ältere Menschen sollen verlängert werden.

Über all das hinaus empfiehlt die Regierung außerdem:

  • Arbeit: Unternehmen sollen auf Homeoffice umsteigen, sofern das möglich ist. Außerdem soll ein gestaffelter Arbeitsbeginn stattfinden, um überfüllte Öffis zu vermeiden. Der öffentliche Dienst will mit gutem Vorbild vorangehen.

Im Dezember dann soll es zu einer schrittweisen Öffnung kommen, sagte Kurz. Welche Bereiche zuerst wieder gelockert werden, sei aber nicht klar, immerhin gebe es noch keine Erfahrungswerte mit einem zweiten Lockdown. Es sei aber damit zu rechnen, dass man im Winter wieder Ski fahren könne, wenn es gelingt, die Infektionszahlen zu senken, so Kurz.

Wirtschaftshilfen

Vorab nach außen gedrungen sind auch schon Details zur Abfederung der ökonomischen Folgen des Lockdowns, die Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) am Abend bei der Pressekonferenz präsentierte. Bei der Kurzarbeit ist eine Rückkehr auf das im März präsentierte Modell vorgesehen. Vom Shutdown betroffene Unternehmen sollen Entschädigungen in der Höhe von 80 Prozent des Vorjahresumsatzes im November erhalten – und zwar "rasch und unbürokratisch". (red, 31.10.2020)