Menschen trauern vor der Basilika Notre-Dame von Nizza um die Opfer des mutmaßlich islamistisch motivierten Attentats.

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Paris – Nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlag auf Kirchgänger in Nizza schickt der französische Staatschef Emmanuel Macron seinen Innenminister ins Herkunftsland des tunesischen Attentäters. Innenminister Gérald Darmanin solle in dieser Woche nach Tunis reisen, um mit seinem dortigen Amtskollegen über Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus zu sprechen, teilte der Elysée-Palast am Sonntag mit.

Am Vortag hatte Macron mit dem tunesischen Staatschef Kais Saied telefoniert. Dieser bekundete dabei laut Elysée-Palast "seine Solidarität mit Frankreich nach den terroristischen Taten". Die beiden Staatschefs kamen demnach überein, die Zusammenarbeit im Antiterrorkampf zu verstärken.

Der 21-jährige Tunesier Brahim Issaoui hatte laut den bisherigen Ermittlungen am Donnerstag in der Früh in der Basilika Notre-Dame von Nizza drei Menschen mit einem Messer getötet. Dabei soll er mehrfach "Allahu Akbar" (Gott ist groß) gerufen haben. Der Attentäter war nach Angaben von Innenminister Darmanin erst kurz vor der Tat aus Italien nach Frankreich eingereist. Weil der Tunesier durch Polizeischüsse schwer verletzt wurde, konnte er bisher noch nicht verhört werden.

Premier Castex: "Ideologischen Kampf" gegen Islamismus führen

Der französische Premierminister Jean Castex kritisierte am Sonntagabend im Fernsehsender TF1, in Frankreich habe es von Politikern und Intellektuellen "während zu vieler Jahre Zugeständnisse" gegenüber dem radikalen Islamismus gegeben. Dieser sei mit Äußerungen wie "'Wir müssen uns selbst geißeln, die Kolonialisierung bedauern' und was weiß ich noch" gerechtfertigt worden. Nun müsse Frankreich endlich einen "ideologischen Kampf" gegen den Islamismus führen und gewinnen.

Dazu müssten die Franzosen "geeint auf Grundlage unserer Werte, auf Grundlage unserer Geschichte" sein, forderte Castex. Der beste Weg, "einen Krieg zu gewinnen, besteht darin, dass die nationale Gemeinschaft zusammengeschweißt ist, geeint ist, stolz auf unsere Wurzeln, unsere Identität, unsere Republik, unsere Freiheit ist". Er kündigte die baldige Auflösung weiterer islamistischer Vereinigungen sowie Einsätze gegen "falsche Moscheen" und "geheime Schulen" an.

Lehrer Paty wurde wegen Karikaturen enthauptet

Castex reagierte damit auch auf den Anschlag auf den 47-jährigen Lehrer Samul Paty. Er war im Oktober nahe seiner Schule bei Paris von einem 18-Jährigen erstochen und enthauptet worden. Der Angreifer russisch-tschetschenischer Herkunft wurde kurz danach von der Polizei erschossen.

Paty hatte das Thema Meinungsfreiheit im Unterricht behandelt und dabei umstrittene Mohammed-Karikaturen verwendet. Weil Macron in der Folge betonte, das Zeigen solcher Karikaturen sei in Frankreich durch die Meinungsfreiheit gedeckt, gab es in verschiedenen muslimischen Ländern Proteste gegen Frankreich und Aufrufe zum Boykott französischer Waren.

Mindestens 50.000 Menschen protestierten in Bangladesch

In Bangladesch sind erneut zehntausende Menschen auf die Straße gegangen, um ihrer Wut über die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen in Frankreich Luft zu machen. Wie die Polizei am Montag mitteilte, beteiligten sich an dem Protest in der Hauptstadt Dhaka mindestens 50.000 Menschen. Sie konnten demnach davon abgehalten werden, sich der französischen Botschaft zu nähern. Die Organisatoren der Demonstration sprachen von mehr als 100.000 Teilnehmern.

Die Teilnehmer forderten den Abbruch der Beziehungen zu Frankreich, unter anderem den Boykott französischer Waren. "Keine Verunglimpfung des Propheten Mohammed", skandierten sie. Einige Demonstranten verbrannten eine Puppe, die Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron darstellte. Zu dem Protest aufgerufen hatte die islamistische Gruppierung Hefasat-i-Islami. "Wir stellen der Regierung ein Ultimatum, die diplomatischen Beziehungen zu Frankreich innerhalb von 24 Stunden zu beenden", sagte Junayed Babunagari, der Vorsitzende von Hefazat-e-Islam. "Wenn unsere Forderungen nicht erfüllt werden, dann werden wir unsere nächsten Schritte ankündigen."

Die Regierung von Ministerpräsidentin Sheikh Hasina hat nicht auf die Forderungen islamistischer Gruppierungen reagiert. Man werde für keine Seite Stellung beziehen, verlautete aus dem Außenministerium. Zudem hieß es, die Sicherheitsvorkehrungen vor der französischen Botschaft seien verstärkt worden. (APA, 2.11.2020)