In der Wiener Innenstadt kam es am Montagabend zu einem Terroranschlag – ein Attentäter wurde von der Polizei erschossen.

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Wie ist der Anschlag am Montag abgelaufen?

Kurz nach 20 Uhr ging laut Polizei ein Notruf ein, dass ein Mann mit einer Schrotflinte schieße. Ein in der Innenstadt stationierter Polizist ist dem Attentäter begegnet und wurde angeschossen. Er ist schwer verletzt, aber mit Stand Dienstag außer Lebensgefahr. Als die Einsatzkräfte in der Seitenstettengasse eintrafen, kam es zu einem Schusswechsel. Es wurden Zivilisten am Fleischmarkt und am Franz-Josefs-Kai erschossen. Auch die Kellnerin eines Lokals am Ruprechtsplatz wurde getötet. An derselben Stelle wurde um 20.09 Uhr auch der bzw. einer der Attentäter von der Polizei erschossen.

Welche Tatorte gibt es noch?

Im "zeitlichen Zusammenhang" kam es laut Polizei zu weiteren Vorfällen an fünf Tatorten: dem Morzinplatz, dem Salzgries, dem Fleischmarkt, dem Bauernmarkt und dem Graben. Wie die zeitliche Abfolge war, kann die Polizei derzeit noch nicht sagen.

Wie viele Menschen wurden Opfer des Anschlags?

Laut Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) wurden insgesamt 23 Personen nach dem Anschlag in der Innenstadt im Spital behandelt, davon 16 Männer und sieben Frauen. Die sieben sich zunächst in kritischem Zustand befindlichen Personen seien Stand Dienstagabend mittlerweile alle aus der Narkose erwacht, teilweise schwer verletzt, aber aus der kritischen Phase heraus, so Hacker. Bei ihnen müssen Schuss- oder auch Stichverletzungen behandelt werden. Die Zahl der Verletzten musste am Dienstag nach oben korrigiert werden. Grund dafür war, dass sie auf verschiedene Spitäler aufgeteilt wurden und man sich erst einen Überblick verschaffen musste, welche Personen dem Anschlag zuzuordnen sind. Vier Personen wurden getötet.

Wer sind die vier Todesopfer?

Es handelt sich bei den vier ermordeten Personen um Zivilisten: einen älteren Herrn, eine ältere Dame, einen jungen Mann und eine Frau aus Deutschland, die an dem Abend während ihrer Tätigkeit als Kellnerin am Ruprechtsplatz erschossen wurde. Ihre deutsche Staatsangehörigkeit hat der deutsche Außenminister Heiko Maas am Montag bestätigt.

Wurden auch Polizisten getötet?

Mit Stand Dienstagvormittag gibt es keine Polizistinnen oder Polizisten unter den Verstorbenen. Ein Beamter, der angeschossen und schwer verwundet worden war, musste laut Innenminister Nehammer in der Nacht operiert werden und befindet sich außer Lebensgefahr.

Was ist über den Täter bekannt?

Der mutmaßliche Attentäter K. F. wurde am Montagabend in der Nähe der Ruprechtskirche von der Polizei erschossen. Er war 20 Jahre alt, wurde in Wien geboren und besaß sowohl die österreichische als auch die nordmazedonische Staatsbürgerschaft. Er war ein Anhänger der islamistischen Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Am Dienstagabend bekannte sich der IS zum Terroranschlag in Wien, ohne Hinweise zur Untermauerung darzulegen. Das Innenministerium überprüft dessen Echtheit noch.

Im April 2019 wurde K. F. wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) zu 22 Monaten Haft verurteilt, weil er versucht hatte, nach Syrien auszureisen, um sich dort dem IS anzuschließen. (Eine Gerichtsreportage von damals ist hier nachzulesen.) Im Dezember 2019 wurde er vorzeitig bedingt entlassen – er galt als "junger Erwachsener" und fiel somit unter die gemilderten Regelungen des Jugendgerichtsgesetzes.

Warum war er auf freiem Fuß?

Grund dafür war, so sagte Nehammer am Dienstag, dass er das Deradikalisierungsprogramm getäuscht hatte. Man habe sein Gefährdungspotenzial unterschätzt. Der Mann stand nach seiner Haftentlassung nicht mehr unter Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Nehammer sprach in dem Zusammenhang von einer "Bruchlinie" unter den Zuständigen – also Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz – und bot der Justiz an, dass der Verfassungsschutz bei der Beurteilung des Gefährungspotenzials von Häftlingen helfen könne.

Gibt es noch weitere Täter?

Derzeit gibt es laut Nehammer "keine Hinweise" darauf. Die Polizei kann es allerdings auch nicht ausschließen, sie versucht noch, den genauen zeitlichen und örtlichen Ablauf zu rekonstruieren. Maximal sei ermittlungstaktisch von vier Tätern auszugehen. Um sich nicht in Gefahr zu begeben, wird den Wienerinnen und Wienern weiterhin empfohlen, zu Hause zu bleiben. Vor allem Wege in die Innenstadt sollen nach Möglichkeit vermieden werden.

Hatte der Anschlag einen antisemitischen Hintergrund?

Definitiv lässt sich das momentan noch nicht sagen. Was dafür spricht: Ein Angriff trug sich in der Seitenstettengasse zu, wo sich die Hauptsynagoge Wiens sowie die Räumlichkeiten der Israelitischen Kultusgemeinde befinden. Zudem sympathisierte der Attentäter mit dem IS, in dessen Ideologie der Antisemitismus verankert ist. Die Ermittler sind aber noch dabei, Motiv und Tathergang genau zu rekonstruieren.

Die Tat fand wenige Stunden vor Beginn des Lockdowns statt. Gibt es einen Zusammenhang?

Darüber ist bisher nichts bekannt. Es steht aber fest, dass der Montagabend der vorerst letzte Zeitpunkt war, zu dem sich viele Menschen in innerstädtischen Lokalen aufhalten konnten und somit viele Menschen unterwegs waren. Seit Dienstag, null Uhr gelten ja die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen, die laut Regierung zumindest einen Monat währen sollen. (ta, sefe, elas, 3.10. 2020)