Wie Jellyfish-Galaxien zu ihren Namen kamen, ist nicht schwer zu erraten: Mit ihrem leuchtenden Anhang sehen die Sterneninseln tatsächlich einer durch den Kosmos treibenden Riesenqualle ähnlich. Anzutreffen sind sie ausschließlich in Galaxienhaufen, wo sie in Richtung des gravitativen Cluster-Zentrums stürzen, sodass durch die Bewegung das interstellare Gas in die entgegengesetzte Richtung gedrückt wird. Das führt zum typischen Schweif der Jellyfish-Galaxien, einer Zone, in der nach bisherigen Beobachtungen neue Sterne geboren werden.
Welche physikalischen Bedingungen im Gasschweif von Jellyfish-Galaxien herrschen, die zu den erhöhten Sternentstehungsraten beitragen, war bisher im Detail ungeklärt. Einem internationalen Astronomenteam gelangen nun jedoch neue Einblicke in diese turbulenten kosmischen Regionen. Unter anderem analysierten sie dafür die Stärke und Ausrichtung der Magnetfelder in der Galaxie JO206.
Schwer beobachtbare Quallen
Die Gruppe um Bianca Poggianti vom Italian national institute of Astrophysics in Padua, Selargius und Bologna (INAF) hatte bereits in früheren Studien nachgewiesen, dass sich in dem Gasschweif von Jellyfish-Galaxien Sterne bilden können. Es ist bekannt, dass bisweilen Magnetfelder in Galaxien zur Sternentstehung beitragen. Ob das jedoch auch in den Gasschweifen von Jellyfish-Galaxien der Fall ist, war bislang nicht klar. Aufgrund ihrer geringen Helligkeit sind sie schwer zu untersuchen.
Einen ersten Schritt zur Klärung dieser Frage hat das Team um Ancla Müller von der Ruhr-Universität Bochum nun gemacht. Die Wissenschafter analysierten die Magnetfeldstruktur der Galaxie JO206. Dabei zeigte sich, dass nicht nur die Galaxienscheibe ein starkes Magnetfeld besitzt, sondern auch der Gasschweif. "Aus dem ungewöhnlich hohen Anteil an polarisierter Strahlung können wir schließen, dass das Feld sehr genau entlang des Schweifs ausgerichtet ist", erklärt Müller.
Ein magnetischer Mantel
Mithilfe von Computersimulationen konstruierte die Gruppe ein Szenario, das die ungewöhnlichen Parameter erklären kann: "Während die Jellyfish-Galaxie durch den Galaxienhaufen fliegt, legt sich dessen Magnetfeld wie ein Mantel um die Galaxie und wird durch die große Galaxiengeschwindigkeit und Kühleffekte weiterhin verstärkt und geglättet", sagt Christoph Pfrommer vom Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam. Dieser Prozess könnte das Magnetfeld von JO206 verstärken und auch den hohen Anteil an polarisierter Strahlung erzeugen, schreiben die Wissenschafter im Fachjournal "Nature Astronomy".
Aus der Simulation entwickelten die Wissenschafter folgende Theorie: JO206 stürzt mit hoher Geschwindigkeit ins Zentrum des Galaxienhaufens, sodass die Magnetfelder wechselwirken und heiße Winde aus dem Medium zwischen den Galaxien zu Ansammlungen von Plasma führen. Teile des Plasmas kondensieren an den äußeren Schichten des Gasschweifs und mischen sich dort mit der restlichen Materie. "So wäre genügend Material für die Sternentstehung vorhanden", resümiert Müller. "Nun wird es spannend sein zu sehen, ob sich dieses Bild durch weitere Messungen an anderen Objekten bestätigen lässt." (red, 3.11.2020)