Make America Great Again – dieser glühende Anhänger von Donald Trump versteht darunter etwas anders als die Fans von dessen Herausforderer Joe Biden.

Foto: AFP / Jeff Kowalsky

Wer immer der Präsident ist, der am 20. Jänner 2021 vereidigt wird – ob Donald Trump oder Joe Biden –, er muss sich zahlreichen Problemen widmen, die nach wie vor ungelöst sind.

Baustelle Außenpolitik

Zunächst gilt es, den außenpolitischen Kurs abzustecken. Zu klären ist, welche Rolle die USA im Weltgeschehen spielen wollen, ob sie sich wieder mehr engagieren oder die isolationistischen Tendenzen verstärken. Zu klären ist, ob sie sich wieder stärker an Werten orientieren, statt nur ihr eng definiertes Eigeninteresse im Blick zu haben. Zu klären ist schließlich, wie es Amerika mit den Allianzen hält, die es nach dem Zweiten Weltkrieg geschmiedet hat, mit Bündnissen, die ihm strategische Vorteile einbringen, die der große Rivale China auf absehbare Zeit wohl nicht ausgleichen kann.

Falls Trump bleibt, wird er die europäischen Partner weiter vor den Kopf stoßen? Wird er die nach 1945 gegebenen Schutzgarantien eher als Geschäft denn als prinzipielle Verpflichtung verstehen und mehr Geld für den Fall verlangen, dass der Schutzschirm aufgespannt bleibt? Lässt er der Drohung, die Nato zu verlassen, den Austritt folgen?

Mit Biden dürften die Zeichen eher auf Versöhnung stehen. Wobei ein freundlicherer Ton nicht bedeuten würde, dass es in der Sache keinen Streit mehr gäbe. Ein Präsident Biden dürfte die Nato-Partner kaum weniger hartnäckig als Trump in die Pflicht nehmen, damit sie bis 2024 wie zugesagt zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungszwecke ausgeben. Schon Barack Obama hatte die Forderung mit Nachdruck vorgetragen, auch wenn er den Europäern nicht wie Trump die Pistole auf die Brust setzte.

Baustelle China

Doch die transatlantische Schiene ist aus Sicht des Weißen Hauses nur eine Nebenbaustelle. Deutlich wichtiger ist China.

Noch hat Amerikas politische Klasse nicht geklärt, wie das Verhältnis in Zukunft aussehen sollen. Spürbar ist allerdings, bei den Demokraten kaum weniger als bei den Republikanern, eine Ernüchterung über den kooperativen Kurs, den Richard Nixon 1972 eingeleitet hatte. Die Annahme, ein Zugehen auf die Volksrepublik würde eine Demokratisierung einleiten, hat sich als falsch, ja, naiv erwiesen.

Der Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation WTO, 2001 vollzogen und in Washington als Zeichen der Einbindung der aufstrebenden asiatischen Macht in geordnete internationale Strukturen begrüßt, gilt heute als Zugeständnis, in dem Anhänger Trumps einen Verrat an nationalen Interessen sehen. Dass es sich um eine Wirtschaftsbeziehung zum gegenseitigen Vorteil handelt, weil amerikanische Konsumenten billige chinesische Waren kaufen und China mit seinen Exportüberschüssen amerikanische Staatsanleihen erwirbt, wird heute quer durch beide großen Parteien infrage gestellt.

Ob Trumps Politik hoher Importzölle unter Biden fortgesetzt würde, ist offen. Doch kaum jemand zweifelt daran, dass auch ein Präsident Biden gegenüber China härtere Töne anschlagen würde, als es noch unter Obama der Fall war. Zu denen, die eine Abkehr von Trump’schem Protektionismus ablehnen, gehören prominente Demokraten aus dem Mittleren Westen, wo etliche Industriebetriebe dichtmachten, weil sie der ausländischen Konkurrenz nicht gewachsen waren.

Baustelle Nordkorea

Schließlich die Causa Nordkorea, direkt verbunden mit der Antwort auf die Frage, ob die amerikanisch-chinesischen Spannungen eskalieren oder aber entschärft werden. Dem Ziel nuklearer Abrüstung ist Trump im direkten Kräftemessen mit dem nordkoreanischen Diktator kein Stück nähergekommen, obwohl er sich um bessere Drähte zu Kim Jong-un bemühte. Immerhin haben die beiden Gipfeltreffen, mit denen er den Diktator adelte, dazu beigetragen, einen militärischen Konflikt zu verhindern. De facto müssen die USA klären, ob sie Nordkorea als Atommacht anerkennen oder aber auf nuklearer Entwaffnung bestehen.

Baustelle Corona

Dann wären da noch die Baustellen im eigenen Land, die für das Gros amerikanischer Wähler natürlich Vorrang haben, hier aber nur kurz angerissen seien. An erster Stelle steht der Umgang mit der Corona-Pandemie. Nachdem es im Juni für kurze Zeit nach Entspannung ausgesehen hatte, stieg die Kurve der Neuinfektionen im Hochsommer steil an, bis die Fallzahlen in den Tagen vor der Wahl auf neue Höchststände kletterten. Rund 9,3 Millionen Amerikaner haben sich angesteckt, 232.000 sind an den Folgen gestorben.

Die Regierung Trump bemüht sich offenbar kaum noch darum, die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Zuletzt beschränkte sich der Präsident darauf, vor den katastrophalen ökonomischen Folgen eines zweiten Lockdowns zu warnen. Experten wie den Epidemiologen Anthony Fauci, die zur Vorsicht mahnen, warf er vor, mit der Opposition zu paktieren. Nach dem Votum sind anstelle von Schuldzuweisungen Konzepte gefragt.

Rund 35 Millionen Amerikaner sind derzeit nicht krankenversichert, sieben Millionen mehr als 2016. Trump hat die Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama ausgehöhlt, wenn auch nicht gekippt (ein Anlauf scheiterte im Kongress). So etwas wie einen Gegenentwurf hat er bisher nicht vorgelegt, nicht einmal ansatzweise.

Baustelle Wirtschaft

Um aus der Corona-bedingten wirtschaftlichen Talsohle herauszukommen, müsste der Staat den Konjunkturmotor auf Touren bringen. Sinn würde es machen, die vielerorts veraltete Infrastruktur auf Vordermann zu bringen. Finanziell indes kann sich der Bund kaum noch große Sprünge leisten. 2017 beschlossene Steuersenkungen sowie die Sonderausgaben der Corona-Krise ließen die Staatsverschuldung auf 27 Billionen Dollar ansteigen, während sie vor drei Jahren noch bei 20 Billionen lag.

Für die Republikaner sind die Defizite momentan kein Thema, obwohl gerade sie es sind, die sich Haushaltsdisziplin auf die Fahnen schreiben. Trump baut darauf, dass die niedrige Unternehmenssteuer (21 Prozent) Konzerne veranlasst, ihre Produktion aus Asien oder Mexiko zurück nach Michigan, North Carolina oder Pennsylvania zu verlagern. Über kurz oder lang stehen jedoch harte fiskalpolitische Entscheidungen an. Auf Dauer lässt sich die jetzige Steuerpolitik nicht durchhalten. (Frank Herrmann aus Washington, 3.11.2020)