Noch in der Nacht des Anschlags begannen die Spurensicherer mit ihrer aufwändigen Tatortarbeit.

Foto: EPA / Christian Bruna

Wien – Die Einsatzzentrale zu den Ermittlungen rund um den Wiener Terroranschlag befindet sich in der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit im Innenministerium. Dem amtierenden Direktor Franz Ruf sind alle relevanten Abteilungen direkt unterstellt. Dazu gehören unter anderem das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), das Bundeskriminalamt (BK) , das Sondereinsatzkommando Cobra und die Sondereinheit Observation. Ein Herzstück in der Phase der Aufarbeitung des Anschlags sind die kriminaltechnischen Untersuchungen.

Fachgerechte Verpackung

Zahlreiche Kriminaltechniker von den vier Tatortgruppen der Wiener Polizei haben in den vergangenen Stunden bereits die Innenstadt durchkämmt und tausende Spuren gesichert. Sogenannte Top-Teams (Tatort-Opfer-Teams) setzen sich aus Beamten einer Tatortgruppe, der Landeskriminalamtsaußenstellen und eines Stadtpolizeikommandos zusammen. Die Dokumentation beinhaltet auch die Asservierung, also eine eindeutige Auflistung aller sichergestellten Gegenstände (Asservate) und Spuren. Zur Spurensicherung im weiteren Sinne gehört zudem eine fachgerechte Verpackung der Spuren und Spurenträger, um diese vor äußeren Einflüssen zu schützen und weitere kriminaltechnische Untersuchungen nicht zu gefährden.

Da es sich bei den Tatorten um öffentliche Plätze handelt, sind die Spurensicherer dazu angehalten, möglichst schnell zu arbeiten, um die Benützung wieder freizugeben. Deshalb arbeitet das Bundeskriminalamt seit geraumer Zeit auch mit 3D-Kameras, die virtuelle Situationen von frischen Tatorten festhalten.

Lückenlose Rekonstruktion

Danach kann der Tatort mittels VR-Brillen jederzeit wieder "betreten" werden, ohne Spuren zu zerstören beziehungsweise selbst welche zu verursachen. Besonders für komplexe Tatorte sind hochauflösende Dokumentationskameras, die die Umgebung scannen, praktisch. Die Ermittler ersparen sich damit häufig das Anlegen von analogen oder digitalen Fotomappen mit hunderten Einzelbildern.

Auch wenn es sich bei dem toten Attentäter tatsächlich um einen Einzeltäter handeln sollte, es also nie zu einem Strafprozess kommt, müssen alle verfügbaren Spuren gesichert und Beweise ausgewertet werden. Eine lückenlose Rekonstruktion der Hergänge ist nicht nur wichtig für die Weiterentwicklung der Terrorabwehr, sondern auch eine Absicherung für den Fall, dass es künftig noch weitere Spuren oder doch Hinweise auf Hintermänner gibt.

Ballistische Analysen

Die genaue kriminaltechnische Untersuchung der Waffen und Projektile kann Auskunft über deren Herkunft und damit über mögliche Komplizen geben. Die Ergebnisse der ballistischen Analysen der Schusswaffentechniker im Bundeskriminalamt werden durch den Fahndungscomputer gejagt. Sind eine Waffe oder ein Projektil mit dem gleichen Profil schon einmal erfasst worden, kann die Kette der Weitergabe möglicherweise geschlossen werden.

Auch etwaige Fingerabdrücke auf den Waffen beziehungsweise in der Unterkunft des getöteten Attentäters können entscheidend sein. Seine ganze Wohnung wurde daktyloskopisch behandelt. (Michael Simoner, 4.11.2020)