Bundeskanzler Sebastian Kurz und Bundespräsident Alexander Van der Bellen haben in ihren Ansprachen zum Terroranschlag die richtigen und wichtigen Worte gefunden. VdB betonte, der Angriff "galt dem Leben in einer liberalen Demokratie, das Terroristen offenbar abgrundtief hassen".

Das ist der Punkt. Ja, es handelt sich um einen islamistischen Terroranschlag. Ja, der erschossene Täter war ein junger Muslim mit albanischem Hintergrund, in Österreich geboren, kein Flüchtling oder Asylant, Doppelstaatsbürger und radikalisiert in einem Hinterhofverein, der sich "Moschee" nennt.

Dieser junge Mann hat wüst und willkürlich getötet und schwer verletzt. Es gibt ein Video, wo man sieht, wie er einen jungen Nachtschwärmer im "Bermuda-Dreieck" zuerst mit einem Feuerstoß aus der Kalaschnikow niederstreckt, weitergeht, dann umkehrt und mit einer Pistole endgültig tötet.

Die Synagoge in der Seitenstettengasse in Wien.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Wer macht so etwas? Wer hat diese absolute Empathielosigkeit, diesen verrückten Fanatismus? Viele, viele junge Männer, die für Gewaltideologien empfänglich sind, ist die bittere Antwort. Auf die Gefahr hin, missverstanden zu werden: Auch bei uns haben sich junge Männer zur SA und SS gemeldet und, verblendet durch eine wahnsinnige Ideologie, aber auch aus bloßer Mordlust, entsetzliche Verbrechen begangen. Die "Lizenz zum Töten", die wahnhafte Heilsphilosophien an diese jungen Männer ausgeben, ist sehr verführerisch.

Und ein früherer Vizekanzler der Republik, der als junger Bursch mit Neonazis und Waffenattrappen durch den Wald gekrochen ist, hat nur Glück gehabt, dass nichts Ernsteres daraus geworden ist.

Schnittstelle

Dennoch wird gefragt: Warum müssen wir uns das antun, warum haben wir so viele Muslime "hereingelassen", wenn so relativ viele von ihnen unsere westliche Lebensweise und unsere Werte mit Todfeindschaft betrachten?

Es hat sich so ergeben. Nüchtern-realistisch: Zum einen haben wir Muslime geholt – als billige (türkische) Arbeiter vor zwei, drei Generationen. Die damaligen Entscheidungsträger haben sich gesellschaftspolitisch nicht viel dabei gedacht. Zum anderen, auf der grundsätzlichen Ebene: Wir sind ein offener, demokratischer, leidlich humaner, wohlhabender Staat, in dessen näherer und weiterer Nachbarschaft sich dramatische Krisen abspielten. Wir konnten und können dem nicht ausweichen.

Wir haben zehntausende muslimische Bosnier aus dem Jugoslawienkrieg genommen, zehntausende vor der Gewalt fliehende Syrer, Iraker und Afghanen. Oder Kosovaren, oder Albaner ...

Das heißt letztlich, dass wir an einer geopolitisch-kulturellen Schnittstelle liegen und in zwei miteinander verbundene Weltereignisse hineingezogen wurden: die große Flucht- und Migrationsbewegung und den Kampf der muslimischen Gesellschaften um und gegen die Moderne. Hier treffen offene Gesellschaft und totalitäre Muslime aufeinander. Eine historische Auseinandersetzung.

Damit müssen wir mühsam umgehen (lernen). Aber wir können darauf nicht mit autoritären und illusionären Fantasien reagieren ("alle heimschicken!"), sondern nur mit den Mitteln des offenen, demokratischen, leidlich humanen, wohlhabenden Rechtsstaates, der wir sind – und bleiben wollen. (Hans Rauscher, 3.11.2020)