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An einem der Tatorte wurde von Vertretern der Republik ein Kranz niedergelegt.

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Wien – Ein Sonderministerrat hat am Dienstag eine dreitägige Staatstrauer und die Trauerbeflaggung der Republik beschlossen. "Die Republik Österreich war, ist und wird immer eine Nation der Vielfalt, des Dialoges und des Respektes füreinander sein", heißt es in einer Erklärung. Um zwölf Uhr wurde eine Trauerminute abgehalten, im Gedenken an die Opfer wurden viele Kirchenglocken im ganzen Land geläutet, auch die Pummerin im Stephansdom ertönte. Bei einer Kranzniederlegung im Bereich des Tatorts am Desider-Friedmann-Platz beim Zaun des allein stehenden Magnolienbaums zwischen der Judengasse und der Jerusalemstiege gedachten Vertreter des offiziellen Österreichs und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Österreich, Oskar Deutsch, der Opfer des Anschlags.

"Ausforschen und jagen"

"Wir werden uns von den Terroristen nicht einschüchtern lassen", erklärte Kanzler Sebastian Kurz. Täter, Hintermänner und Gleichgesinnte werde man "ausforschen, jagen und ihrer gerechten Strafe zuführen". Gleichzeitig appellierte er, die von den Islamisten angestrebte Spaltung der Gesellschaft nicht zuzulassen: "Wir werden diesem Hass keinen Raum geben."

Das sei kein Kampf zwischen Christen und Muslimen, erklärte Kurz, das sei "ein Kampf zwischen den vielen Menschen, die an den Frieden glauben, und jenen wenigen, die sich den Krieg wünschen". Kurz kündigte an, dem Terrorismus mit allen Mitteln entgegenzutreten.

"Wir werden die Opfer des gestrigen Abends nie vergessen, und wir werden gemeinsam, entschlossen unsere Grundwerte verteidigen." Kurz erinnerte an die vier Todesopfer, die 14 Verletzten und den verwundeten Polizisten. Ein älterer Herr, eine ältere Dame, ein junger Passant und eine Kellnerin seien durch den Anschlag "aus dem Leben gerissen" worden. Der Anschlag sei von "Hass auf unser Lebensmodell" und "Hass auf unsere Grundwerte" getragen.

Das Herz unserer Gesellschaft

Bundespräsident Alexander Van der Bellen sieht "ein feiges terroristisches Attentat auf das Herz unserer Gesellschaft", sagte das Staatsoberhaupt. Der Hass könne aber niemals so stark sein "wie unsere Gemeinschaft".

Die fünf Parlamentsparteien haben sich am Dienstag in einer Präsidialkonferenz zusammengetan und eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. "Was wir heute und jetzt tun können, ist, dem Terror und der Gewalt an sich eine klare Absage zu erteilen." Gerade die Willkür in der Auswahl der Opfer ziele darauf ab, die Freiheit an sich zu treffen: "Das ist menschenverachtend, und das ist feige", heißt es in der Erklärung. "Was auch immer die Täter bezwecken wollten, unsere liberale Demokratie bleibt standhaft. Wenn das Ziel des Terrorismus darin liegt, unsere Gesellschaft zu spalten, dann erreicht er damit genau das Gegenteil."

Für Donnerstag ist eine Sondersitzung des Nationalrats anberaumt, alle Ausschusssitzungen wurden vorläufig abgesagt.

Ümit Vural, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, erklärte im Gespräch mit dem STANDARD, seine Religionsgemeinschaft sei sich der Verantwortung bewusst. "Wir wollen unseren Beitrag leisten für eine friedliche Gesellschaft – und dann kommt so ein Angriff. Sie können sich vorstellen, wie betroffen uns das macht. Wie unsere Bemühungen dadurch konterkariert werden. Ich will mir erlauben, alle Mitmenschen zu ersuchen, mehr zusammenzurücken, zusammenzuhalten und sich nicht spalten zu lassen."

Zum Attentäter sagt Vural: "Es gibt keine Definition des politischen Islam. Aber ich kann Ihnen sagen, was der junge Mann ist: ein Extremist, ein Terrorist, ein Straftäter, der verurteilt war und im Gefängnis gesessen ist. Damit ist vieles beantwortet." Leider gebe es auch "Hinterhofvereine, die sich Moschee nennen", die ihre eigenen Vorstellungen vermittelten. "Die wollen wir auch nicht, weil sie nicht unser Verständnis von Zusammenhalt und Pluralität teilen." (Hans Rauscher, Michael Völker, 4.11.2020)