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Neukaledonienkrähen sind beliebte Versuchstiere. Ihre natürliche Heimat liegt im Südpazifik.
Foto: AP Photo/Journal Science, Jolyon Troscianko

Eine Reihe von Tierarten verwendet verschiedene Werkzeuge, was für sich genommen schon Zeichen einer durchaus bemerkenswerten Intelligenz ist. Einige Spezies gehen aber noch einen Schritt darüber hinaus – etwa indem sie Werkzeuge, wie sie sie in der Natur vorfinden, bearbeiten, um sie funktionstauglicher zu machen. Oder indem sie sich nicht einfach ein Werkzeug schnappen, wenn die Situation gerade danach verlangt, sondern den Gebrauch im Voraus planen.

Letzteres konnte ein Team um den österreichischen Biologen Markus Böckle, der an der Universität Cambridge, der Karl Landsteiner Privatuniversität in Krems und am Department für Kognitionsbiologie der Universität Wien forscht, nun bei Krähen feststellen.

Das Experiment

Für ihr Experiment zeigten die Forscher Neukaledonienkrähen (Corvus moneduloides) Fleischstücke, die sich nur mit verschiedenen Werkzeugen erreichen ließen. Entweder befanden sie sich in einem Apparat, der mit einem Holzhaken aufgesperrt werden musste. Oder die Tiere mussten einen Stein einwerfen, damit sich die Plattform mit dem Leckerbissen zur Öffnung bewegte. Beide Lösungswege hatten die Krähen vorher gelernt, doch fehlte ihnen in diesen Versuchen zunächst das nötige Werkzeug.

Dann kamen die Tiere in einen anderen Raum, wo ihnen die Forscher fünf Minuten später einen Holzhaken, einen Stein, nutzlose Gegenstände als Ablenkung und ein Apfelstückchen zur Wahl gaben. Apfelstücke sind für die Krähen ein netter Happen – aber lange nicht so begehrenswert wie Fleisch. Sobald die Krähen ein Objekt ausgewählt hatten, wurden ihnen die anderen entzogen.

Weitere zehn Minuten später durften die gefiederten Probanden wieder in den Raum mit dem Apparat. Ans Fleisch kamen sie nun natürlich nur, wenn sie das richtige Werkzeug ausgewählt hatten. Doch wie sich zeigte, sind Krähen dazu in der Lage, sich auf diese Situation vorzubereiten. Ein Versuchstier traf in neun von zehn Fällen die richtige Wahl, zwei Artgenossen immerhin noch in sieben von zehn. Sie hatten sich offenbar gemerkt, welches Werkzeug sie später brauchen würden. Und sie hatten sich nicht ablenken lassen, obwohl man bewusst etwas Zeit zwischen den verschiedenen Schritten des Experiments verstreichen hatte lassen.

Eigenständiger Weg zur Intelligenz

Wie die Forscher im Fachjournal "Proceedings of the Royal Society B" erklären, seien solche speziellen Planungsfähigkeiten bislang nur beim Menschen nachgewiesen gewesen. Das belege zugleich, dass die Gruppe der Rabenvögel einen Weg zur Intelligenz eingeschlagen hat, der gänzlich unabhängig von dem der Menschen und Menschenaffen ist. Immerhin trennen etwa 300 Millionen Jahre Evolutionsgeschichte diese beiden Gruppen – und jede hat wesentlich engere Verwandte ohne vergleichbare intellektuelle Kapazitäten. Einen gemeinsamen Urahn mit entsprechenden Anlagen habe es also nicht gegeben und die Fähigkeit zur Vorausplanung müsse mindestens zweimal in der Evolution entstanden sein. (red, APA, 4. 11. 2020)