Wenn schon herumlümmeln auf dem Sofa, dann schon stilsicher im Strickpullover. Meint zumindest das Pariser Label Sézane.

Foto: Sézane

STANDARD: Woran mache ich die Qualität eines Strickpullovers fest?

Veronika Persché: Erst einmal kann so ein Strickpullover ganz unterschiedlich gefertigt werden: Er kann aus Meterware rausgeschnitten werden, bei halbregulärer Ware werden Rechtecke gestrickt und nur manche Nähte geschnitten. Und dann gibt es reguläre, in Form gestrickte Ware ohne Schnittkanten.

STANDARD: ... die ist am hochwertigsten?

Persché: Genau, weil sie am aufwendigsten zu produzieren ist. Entweder wird sie auf altmodischen Maschinen oder programmierten modernen Automaten produziert. Die spucken das Ergebnis fertig aus.

STANDARD: Ist ein höherer Preis ein Indiz für Qualität?

Persché: Das kann man bei Mode von der Stange leider grundsätzlich nicht sagen. Hinweise auf die Qualität bekommt man, wenn man sich die Nähte anschaut. Am billigsten ist’s, Kleidungsstücke mit der Nähmaschine und der Overlock zu verarbeiten, die Kettelmaschine ist die hochwertigere Variante.

STANDARD: Es schadet nicht, sich einen Strickpullover von innen anzusehen?

Persché: Ja, es hat sich aber viel verändert in der Industrie. Vor zwanzig Jahren sah die Verarbeitung von Kleidungsstücken in den Geschäften noch billig aus, dem Preis entsprechend wurde mit simplen Overlock-Nähten verarbeitet. Mittlerweile haben die Billiglohnländer aufgeholt, selbst die günstigsten Pullover werden heute mit Kettelnähten und "fully fashioned" hergestellt. Trotzdem kosten die Produkte nichts, das ist absurd.

STANDARD: Wie unterscheiden sich ein handgestrickter und ein maschinengestrickter Pullover?

Persché: Einige Muster können nur auf der Maschine produziert werden – wie diese typischen Achtzigerjahre-Jacquard-Pullover-Muster. Oft sind die Unterschiede aber nicht so einfach auszumachen. Zopfmuster, früher nicht so leicht auf der Maschine hinzubekommen, werden heute meist maschinell hergestellt. Grobe Wolle hingegen verarbeiten nur wenige Hersteller auf Automaten.

STANDARD: Welche Vorteile hat Wolle gegenüber synthetischen Fasern?

Persché: Wolle ist atmungsaktiver, die Faser kann Unmengen an Feuchtigkeit aufnehmen, ohne dass sie sich nass anfühlt. Deswegen ist sie oft für Wetterfleck und Lodenmantel verwendet worden. Naturbelassene Wolle besitzt eine Fettschicht, das Wasser dringt nicht ein, sie kann Schweiß aufnehmen, gibt ihn aber nicht ab. Deshalb wird Wolle wieder vermehrt im Bereich der Funktionsbekleidung verwendet. Eine Zeit hat man versucht, mit synthetischen Nachbauten zu arbeiten. Jetzt geht man wieder davon weg, weil man merkt, dass Wolle besser funktioniert als die Synthetik. Die ist allerdings leichter, weil mit viel höherer Geschwindigkeit zu verarbeiten.

STANDARD: Wolle reißt schneller?

Persché: Ja, im Fachjargon heißt das: Wolle ist anfälliger für Fadenbruch. Kaschmir ist unter anderem deshalb so teuer, weil er besonders leicht reißt. Abgesehen davon, dass der Rohstoff an sich schon teuer ist.

STANDARD: Auf welche Gütesiegel sollte ich bei Strickmode achten?

Persché: Ich halte mich an das GOTS-Gütesiegel. Es beinhaltet die Tierhaltung, die Herstellung des Rohstoffs, den gesamten Herstellungsprozess und die Arbeitsbedingungen dabei.

STANDARD: Was zeichnet Merinowolle aus, und warum steht sie in der Kritik?

Persché: Merinowolle ist eine sehr weiche, hautfreundliche Faser. Deshalb hat sich die Merinoschafzucht in Australien zu einem den Weltmarkt beherrschenden Agrarzweig entwickelt. Gleichzeitig wurden tierschädliche Methoden wie das Mulesing angewendet: Um zu verhindern, dass sich um den After der Tiere Schädlinge sammeln, wird die Haut drum herum weggeschnitten. Das wird während des Scherens gemacht, die Tiere haben offene Wunden und Schmerzen. Deshalb wird zunehmend mulesingfreie Wolle angeboten. Eine weitere Begleiterscheinung des Merinowahnsinns: Andere Wollarten und Schafrassen sind lange links liegen gelassen worden. Zum Glück gibt’s mit Initiativen wie der "National British Wool Campaign" von Prinz Charles in Großbritannien auch eine Gegenbewegung.

STANDARD: Welche veganen Alternativen gibt es zu Wolle?

Persché: Viele Veganer setzen auf Synthetik, für mich ist das vom Umweltgedanken her hirnrissig. Es gibt aber auch viele, die Wolle nicht vertragen und deshalb auf Baumwolle oder Viskose umsteigen. Ich finde, es gibt keinen wirklichen Ersatz.

STANDARD: Wie pflege ich einen Strickpullover richtig?

Persché: Das hängt vom Material ab. Reine Wolle braucht man nicht oft waschen, Wolle ist selbst reinigend, den oberflächlichen Schmutz kann man ausbürsten, die Gerüche auslüften. Ich wasche einmal im Jahr, bevor ich sie im Frühjahr einmotte – oder wenn sie einen Fleck haben. Wichtig: beim Waschen auf links drehen, das schützt vor Knötchenbildung.

STANDARD: Und wo bekomme ich (Bio-)Wolle aus Österreich her?

Persché: Ich kann die Handstrickwolle der Spinnerei Wagner in Reutte in Tirol empfehlen. Es gibt auch Alpaka-Farmen und Bauern, die Wolle verspinnen und verkaufen. Besonders angetan hat es mir aber eine finnische Schafrasse, die zum Beispiel das Label Aurinkokehra verarbeitet: Nie hätte ich gedacht, dass ein europäisches Schaf so schöne und weiche Wolle produziert! (Anne Feldkamp, RONDO, 18.11.2020)

Veronika Persché
Foto: Georg Oberweger / Veronika Persché

Veronika Persché produziert in ihrem Wiener Strickatelier im 17. Bezirk seit 2001 textile Einzelstücke und Meterware für heimische wie internationale Kreative, Firmen- und Privatkunden aus Strick.
persche.com

Drei heimische Stricklabels, die man im Auge haben sollte

Schlicht nachhaltig: Rudolf Vienna

Foto: Raphael Just / Rudolf,

Seit sechs Jahren entwerfen und fertigen die Designerin Antonia Maedel und die Textilchemikerin Lisa Mladek für ihr gemeinsames Label Rudolf Vienna Strickpullover, Schals, Beanies und Decken aus Merinowolle. Besonderheit des im 23. Bezirk angesiedelten Unternehmens: die konsequente Verwendung von Naturfasern, die in Wien pflanzlich gefärbt werden. Und: Die Kollektionen werden in einem Radius von maximal 150 Kilometern produziert. Seit 2019 ist die Mode von Rudolf auch im Shop in der Kirchengasse 24 zu bekommen.
www.rudolfvienna.com


Kleidsam gestrickt: Masi

Foto: Zoe Goldstein / Masi

Begonnen hat alles mit einer Reise nach Bolivien. Christina und Fritz Prunthaller entdeckten dort die Alpaka-Wolle für sich. Nach ihrer Rückkehr nach Linz machten sich die Quereinsteiger 2004 mit ihrem Unternehmen Masi selbstständig: Erst entwarf das Paar nur und ließ in Südamerika fertigen, mittlerweile stellen die beiden Labelbetreiber ihre Strickstücke aus Baumwolle, Merinowolle und Seide-Kaschmir-Mischungen im Atelier in der Linzer Waltherstraße 17 selbst her. Wer Maßanfertigungen will: Die Prunthallers lieben Herausforderungen.
www.masi.co.at


Klassisch meliert: Modus Vivendi

Foto: Die Ida / Modus Vivendi

Vier verschiedene Wollfäden werden zusammengeführt, und fertig ist das melierte Muster, das zum Markenzeichen des heute in der Wiener Westbahnstraße ansässigen, 1988 gegründeten Unternehmens Modus Vivendi wurde. Seit den 1990er-Jahren arbeiten die Designerinnen Monika Bacher, Charlotte Maager und Vera Sperl in dieser Konstellation zusammen. Besonders beliebt: die Hauben und Pullover aus italienischer Merinowolle. Produziert werden die Kollektionen im eigenen Atelier und von lokalen Betrieben.
www.modusvivendi.at

(Anne Feldkamp, RONDO, 18.11.2020)