Neueste Studien zeigen, dass eine Gruppe von mild oder durchschnittlich stark Erkrankten genügt, um durch die Virenlast einen Superspreader-Event zu verursachen.

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Im Zuge der Pandemie ist immer wieder von sogenannten Superspreadern die Rede. Doch was sind Superspreader eigentlich genau, und warum lassen sich Superspreading-Ereignisse nicht automatisch auf Superspreader zurückführen?

In der Epidemiologie bezeichnet der Ausdruck "Superspreader" Menschen, die das Virus in überdurchschnittlichem Ausmaß an andere weitergeben. Die Superspreader müssen dabei allerdings selbst keineswegs Symptome zeigen. Wenn ein Infizierter also besonders viel Kontakt zu anderen Menschen hatte, kann er so zum Superspreader werden.

Kommen viele Menschen zusammen, wo einer oder wenige Infizierte zahlreiche Menschen anstecken, so nennt man das ein Superspreading-Event. Diese Events können den Anstieg von Neuinfektionen und den Verlauf der Pandemie stark beeinflussen. Das gesellige Beisammensein bei Familientreffen in geschlossenen Räumen, Küsschen geben, umarmen, gemeinsam singen – all das kann zu lokalen Clustern führen. Diese sind weltweit zu beobachten, beispielsweise nach Gottesdiensten oder Après-Ski-Partys.

Viruslast

Bisher gingen Wissenschafter davon aus, dass nur Personen, die eine besonders hohe Viruslast in sich tragen, ein solches Superspreading-Ereignis auslösen können. Neuere Studien zeigen allerdings, dass eine Gruppe von mild, durchschnittlich stark oder präsymptomatisch Erkrankten genügt, um durch die Virenlast einen ebensolchen Superspreader-Event zu verursachen. Mindestens eine Stunde in einer Menschenansammlung mit schlechten Raumluftbedingungen reicht bereits aus, um eine Massenansteckung herbeizuführen – das belegt nun auch eine kürzlich veröffentlichte Studie der Harvard Universität. Basis der Untersuchung waren fünf verschiedene Superspreading-Ereignisse in den USA, Südkorea und China. Die Ergebnisse wurden bisher nicht von unabhängigen Fachkollegen überprüft.

Risiko: Innenraum

Im Zuge der Untersuchung wurden fünf dokumentierte Superspreading-Fälle analysiert, bei denen sich jeweils mehrere Menschen mit Sars-CoV-2 infiziert hatten: ein Kirchenchor im US-Bundesstaat Washington, ein Callcenter und eine Sportklasse in Südkorea ebenso wie zwei Busreisen in China. In allen fünf Referenzfällen zeigten die Patienten keine Symptome und interagierten mit ihren Mitmenschen. Auf Basis des Anteils der Personen, die infiziert wurden, und der räumlichen Gegebenheiten schätzen die Autoren dann die jeweils in der Luft vorhandenen Virenpartikel.

Die Wissenschafter kamen zu dem Schluss, dass für diese Superspreading-Fälle gar keine Menschen nötig waren, die eine ungewöhnlich hohe Viruslast in sich tragen und ausstoßen. Vielmehr sei die Anreicherung von Aerosolen in einem engen, überfüllten, feuchten Raum, verstärkt durch eine schlechte Belüftung und durch sportliche Aktivitäten, Gesang oder das Fehlen von Masken, ausreichend, um in etwa einer Stunde ein Superspreading-Ereignis auszulösen. (Julia Palmai, 5.11.2020)