Bild nicht mehr verfügbar.

Doch keine Ameisen für die Börsen Shanghai und Hongkong. Ant Financial wurde von Peking gestoppt.

Foto: Reuters / Shu Zhang

Eigentlich hätte das Super-Fintech-Unternehmen von Jack Ma am Donnerstag in Shanghai und Hongkong gleichzeitig an die Börse gehen sollen. Am Dienstag aber wurde der Börsengang gestoppt – offiziell, weil das Unternehmen die Offenlegungspflichten verletzt hat. Der wahre Grund könnte aber eher in der gewaltigen Konkurrenz liegen, die Ant Financial für das traditionelle chinesische Bankenwesen darstellt.

Alipay und Alibaba

Die Kreditvergabe in China wird von Peking genauestens überwacht. Die Banken erhalten bestimmte Quoten und Sätze, zu denen sie Geld verleihen. Am einfachsten für die Banken ist es deswegen, das Geld an Staatsunternehmen zu verleihen. Die Rückzahlung der Kredite ist bei den staatlichen Riesen sicher, da zur Not die Regierung einspringt. Die Leidtragenden aber sind kleine Unternehmen und Privatkunden.

Die im Jahr 2014 gegründete Ant Financial stellt deswegen eine kleine Revolution dar. Sparer können auf dem Smartphone verschiedene Produkte wählen: Anders als in westlichen Ländern sind die Sparzinsen in China nicht negativ. Wer will, kann zum Beispiel einen "Sparwunsch" anklicken. Das kann eine Urlaubsreise nach Europa ebenso wie ein neues Auto sein – Ant spart dann quasi automatisch, bis das Ziel erreicht ist.

Klick und Wisch

Außerdem gehören zur Ant Group, Yue Bao, der weltweit größte Geldmarktfond und Sesame Credit, ein Dienst für Mikrokredite. All das funktioniert per Klick oder Wisch und sieht optisch ansprechend aus – Ant Financial ist ein Beispiel einer "Leap Frog"-Technologie, von der traditionellen Staatsbank direkt zum Fintech. Junge Chinesen lieben das Produkt.

Noch wichtiger als die Anlageprodukte aber ist die App Alipay. Sie wird mittlerweile von 700 Millionen Menschen in China zum Bezahlen nutzt. Wer heute in Shanghai oder Peking mit Geldscheinen bezahlen möchte, wird angeschaut, als käme er aus einem vergangenen Jahrhundert. Selbst kleinste Garküchen sind dazu übergegangen, ihre Nudelsuppen mit dem Smartphone bezahlen zu lassen. Neben der Konkurrenz-App des Konzerns Tencent ist Alipay nicht mehr aus dem Alltag der Chinesen wegzudenken.

Erst genehmigt, dann gestoppt

Der Börsengang war nach langer Wartezeit schließlich am 21. Oktober genehmigt worden und sollte 34,5 Milliarden US-Dollar (rund 29,4 Milliarden Euro) einspielen. Die Aktien waren mehrfach überzeichnet. Dass nun die Behörden einen Strich durch den Börsengang gemacht haben, wirft aber auch ein schlechtes Licht einerseits auf den Finanzplatz Shanghai als auch Hongkong. Während der regulatorische Eingriff Anlegern in Shanghai klar macht, wie dünn der Rechtsschutz von Anlegern ist, wenn es nicht ganz nach Pekings Willen geht, zeigt er Anlegern in Hongkong, wie viel Unabhängigkeit die Stadt in den vergangenen Jahren eingebüßt hat.

Sicherheitsgesetz

Seit das "Nationale Sicherheitsgesetz" im Juli dieses Jahres inkraft getreten ist, ist die Autonomie der Stadt de facto zu Ende. Viele Analysten aber glaubten, dass der Finanzplatz Hongkong die politischen Veränderungen überstehen könnte. Ein Börsengang in China war zudem ein Signal für mehr Unabhängigkeit von amerikanischen Finanzplätzen: Der Mutterkonzern Alibaba ging 2014 noch in New York in die Börse. Dort sackten die Aktienkurse nun um fast zehn Prozent ein.

Kritik an chinas Bankensystem

Jack Ma, der Gründer von Alibaba und Alipay, soll zudem den Unmut mehrerer Beamte auf sich gezogen haben, als er in einer Rede am 24. Oktober in Shanghai gegen das Bankensystem wetterte. Auf dem Bund-Summit sprach Ma nur wenigen Stunden nach Wang Qishan, der als Vater des aktuellen chinesischen Bankensystems gilt. Ma sprach sich gegen die zahlreichen Regulationen und für ein neues Weltfinanzsystem aus. "China hat kein systemisches Finanzrisiko, weil China kein Finanzsystem hat," sagte Ma etwa. "Wir müssen Unheil verhindern, indem wir ein funktionierendes Finanzsystem schaffen."

Bereits am Montag waren außerdem neue Regeln in Kraft getreten, die das Geschäft mit Minikrediten von Ant erschwerten. Bis Ant Financial einen weiteren Anlauf nehmen kann, dürfte einige Zeit vergehen. (Philipp Mattheis, 3.11.2020)