"Sie wollen mich zum Schweigen bringen": Mit dieser Behauptung sorgte Jan Böhmermann am Dienstag für eine neue Volte auf einem perfekt orchestrierten Werbefeldzug für eine Sendung, die auf das ganze Gegenteil zu erzwungenem Schweigen hinausläuft.

Jan Böhmermanns Video.
Lisa_Direkt

Am Freitag wird das Neo Magazin Royale erstmals im ZDF laufen. Für Deutschlands kecksten Showmaster bedeutet das, dass sein Marsch durch die Institutionen an ein vorläufiges Ziel kommt: Nach einer ereignisreichen Karriere bei dritten Programmen und Spartensendern kommt er bei einem der beiden Flaggschiffe des öffentlich-rechtlichen Fernsehens an. Allerdings zu einem Zeitpunkt, da deren Nimbus schon deutlich gelitten hat. Das ZDF gilt längst eher als Seniorenfernsehen und kann eine gewisse Auffrischung gut gebrauchen.

Kalkuliertes Chaos

Von Böhmermann ist nun jede Menge kalkuliertes Chaos nicht nur in der Sendung zu erwarten, sondern auch darum herum. Und so enthält das Video, in dem er behauptet, man wolle ihn zum Schweigen bringen, auch gleich eine Spitze gegen das ZDF. Denn Böhmermann, der sich mit seinem Twitter-Profil eigentlich als Corona-Pädagoge gibt ("Maske auf – Hände waschen"), macht nun plötzlich auf Covidiot. Er zeigt sich in einer exakt angeschnittenen Pose nackt, er "lässt die Maske fallen" und startet einen Kanal auf Telegram, wo sich gern Verschwörungstheoretiker austauschen.

Von Böhmermann ist jede Menge kalkuliertes Chaos nicht nur in der Sendung zu erwarten, sondern auch darum herum.

Natürlich ist das alles auch nur wieder ein Stunt, aber erneut ein guter. Offiziell kommt Böhmermann ja aus einer Pause. Im Dezember 2019 lief das Neo Magazin Royale zum letzten Mal auf ZDF neo. Allerdings ist Böhmermann längst eine so bedeutende Institution in der politischen Landschaft, dass er auf vielen Kanälen weitergesendet hat. So ist passenderweise der Starvirologe Christian Drosten auch gerade zu Gast bei dem Podcaster Böhmermann, der gemeinsam mit Olli Schulz unter dem Titel Fest und flauschig den großen Einfluss auf jugendliche Zielgruppe zu Volksaufklärung nutzt.

Zwischen Spotify, Twitter und einigen eher erratischen Posts auf Instagram kann sich Böhmermann nun zum Debüt im ZDF locker schon selbst zu einer historischen Figur machen: Mit dem gespielten Ernst, der zu diesem Genre gehört, präsentiert er sich zum Aufwärmen für Freitag in einer History-Doku, in der seine Karriere als eine "Schneise der Verwüstung" beschrieben wird, und sein Leben als ein permanentes Stelldichein mit Medienanwälten.

Der Satiriker lädt ab Freitag ins ZDF-Wohnzimmer zum "Neo Magazin Royale".
Foto: ZDF

Das ist kein bisschen kokett von einem Mann, der mit seiner angewandten Poetologie das Sprechen über mächtige Politiker wie den türkischen Präsidenten Erdoğan so brillant, aber auch bewusst anstößig an die Grenze des Erlaubten gebracht hat, dass selbst Kanzlerin Merkel in Verlegenheit kam, sich zu Böhmermann positionieren zu müssen. Dass sie seine "Schmähkritik" an Erdogan als "bewusst verletzend" bezeichnete, war sicher diplomatisch unumgänglich, aber eben auch eine Blamage, denn das Gedicht über den "zoophilen" türkischen Staatsmann hat für Deutschland einen vergleichbaren Status wie die Charlie Hebdo-Karikaturen von dem Propheten Mohammed für Frankreich.

Mit all seinem kalkulierten Übermut ist Böhmermann aber in jeder Faser ein Kind des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland, und damit ein Verfechter der Aufklärung. Dass er kurz vor der Freitagsfrage (Welchen Showmaster würden Sie wählen, wenn Sie an diesem Freitag zu einer Quote beitragen müssten?) aus dem Untergrund einer Telegram-Gegenöffentlichkeit funkt, bezeugt nicht weniger, als dass das verschnarchte System Gebührenfernsehen in Deutschland zumindest intellektuell nach wie vor die größte Reichweite hat. (Bert Rebhandl, 5.11.2020)

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