Auch die Anhänger von Donald Trump gingen auf die Straße und feierten den möglichen Sieg ihres Kandidaten. So wie hier in Miami ließen sie dabei mitunter ihre Masken fallen.

In vielen Städten in den USA strömten am Wahlabend die Gegner Trumps auf die Straßen – meist friedlich. Und doch sind weitere Proteste angekündigt.

Gegen zwei Uhr in der Früh war die Feierlaune auch bei den hartgesottensten Demonstranten vor dem Weißen Haus in Washington der Ernüchterung gewichen: Nichts wird es aus der angekündigten "Auszugsparty", die man für den prominenten Bewohner organisieren wollte – zumindest vorerst. Während Amerika gebannt den Atem anhielt, weil sich die Wahlnacht so viel länger zu ziehen begann als vorhergesagt, waren die meisten Besucher der bunten, meist friedlichen Veranstaltung vor dem West Wing um diese Zeit schon nach Hause gegangen. Nach Angaben der Washingtoner Behörden war es nur vereinzelt zu Wortgefechten zwischen Trump-Gegnern und -Anhängern gekommen. Was blieb, waren Transparente, auf denen Donald Trumps Abwahl herbeigesehnt wird ("Pack deine Sachen!"), und ein riesiges aufblasbares Huhn, das samt blonder, an den Präsidenten gemahnender Haarpracht über der Szenerie schwebte.

Weitgehend friedlich

Zuvor hatten etwa 1.000 Demonstranten auf der jüngst umbenannten Black Lives Matter Plaza gegen Trump demonstriert. "Keine Gerechtigkeit, kein Frieden" wurde skandiert, Jugendliche nutzten die Gelegenheit, um zu tanzen. "Trump lügt die ganze Zeit", lautete eine andere Parole, die kurz vor der umstrittenen Rede des Präsidenten ("Wir haben gewonnen") wenige Meter von dessen Amtssitz entfernt durch die Straßen tönte. Einzig die aufgestochenen Reifen eines Polizeibusses schlugen in der Bilanz der Behörden am Ende zu Buche.

Viel war im Vorfeld über mögliche Unruhen gemutmaßt worden, die drohten, wenn die US-Präsidentschaftswahl ein unklares Ergebnis zeitigt. Am Wahlabend selbst wurden die Befürchtungen nicht wahr. Zwischen Albuquerque und Anchorage wurde der spannende "Nail-Biter" (Nägelbeißer, Anm.) zwar aufmerksam verfolgt, aufgrund der Corona-Pandemie aber meist nicht in Form großer Veranstaltungen, sondern eher im Familien- oder Freundeskreis, in Pubs, Bars oder Sportvereinen. Anders als bei früheren Wahlen wurden diesmal viele der traditionellen Public-Viewing-Veranstaltungen abgesagt.

Geschäfte verbarrikadiert

Der berühmte Rodeo Drive in Los Angeles war aus Angst vor Ausschreitungen unter einen Lockdown gestellt worden, in New York bat der demokratische Gouverneur Andrew Cuomo Demonstranten, auf jeden Fall ein Endergebnis abzuwarten, bevor man auf die Straße gehe – in der Stadt selbst verbarrikadierten viele Geschäftsbesitzer vorsorglich ihre Auslagen. Ob es so friedlich bleibt, weiß freilich niemand. Washingtons Bürgermeisterin Muriel Bowser sagte, dass "manche Leute schon darauf warten, Chaos und Ärger anzurichten". Die dichtgemachten Läden machten sie traurig, so die Demokratin.

Auch in Portland, jener Großstadt im nordwestlichen Bundesstaat Oregon, die schon nach der Tötung des Afroamerikaners George Floyd ein Hotspot der Proteste gegen Donald Trump war, gingen Menschen noch in der Wahlnacht auf die Straße. "Das also bedeutet Demokratie", ließen Demonstranten ihrer Frustration freien Lauf. Und egal wie die Wahl ausgeht, man wolle auf jeden Fall weiter gegen Rassismus protestieren. Wie der örtliche Sheriff später die Presse wissen ließ, trugen einige der Demonstranten offen Waffen. Die Nationalgarde, von der demokratischen Gouverneurin Kate Brown vorsorglich in Alarmbereitschaft versetzt, kam in Portland aber ebenso wenig zum Einsatz wie die Spezialkräfte der Polizei. Bürgermeister Ted Wheeler, im Sommer des Öfteren die Zielscheibe von Trumps Spott, rief seine Bürger auf, friedlich ihre Meinung kundzutun – es werde aber "keine Toleranz für jegliche Gewalt, Einschüchterung oder kriminelle Zerstörungen" geben.

Angespannte Lage

In Oregons Nachbarstaat Washington – auch dort stand Joe Biden schon vor Beginn der Wahl als Sieger so gut wie fest – verhaftete die Polizei mehrere Menschen. Darunter waren ein Demonstrant, der Nägel auf eine Straße in Seattle geworfen hatte, und ein Mann, der mit seinem Auto eine Polizeiabsperrung durchbrochen hatte – verletzt wurde niemand.

Lokale Medien hatten zuvor von einer sehr angespannten Lage in der Stadt am Puget Sound berichtet. Die Bürgermeisterin von Seattle, Jenny Durkan, wie ihr Portlander Kollege eine Demokratin und bekennende Trump-Gegnerin, hatte zuvor vor möglicher Gewalt bei den Protesten gewarnt.

Auch in Los Angeles, Chicago, Raleigh und anderen US-Großstädten kam es zu vereinzelten Zwischenfällen und Verhaftungen, die befürchtete Gewaltnacht blieb jedoch auch dort weitgehend aus.

Freude in Florida

Doch nicht nur die Gegner Trumps gingen in der Wahlnacht auf die Straße, auch seine Anhänger: Noch bevor die offiziellen Zahlen gemeldet wurden, strömten etwa in Florida hunderte Fans des ebenfalls im Sunshine State wohnhaften Präsidenten auf die sommerlich warmen Straßen. In Palm Beach etwa, keine zehn Kilometer von Trumps Ferienresidenz Mar-a-Lago entfernt, tanzten dessen Wahlgänger zu den Klängen des Village-People-Hits YMCA – so wieTrump selbst unlängst in einem Wahlwerbespot. Angst vor Corona hat man dort augenscheinlich nicht – Masken waren kaum auszumachen.

520 Proteste geplant

Dass die Proteste der Trump-Gegner nach der Wahl so schnell abebben, ist indes keineswegs sicher. Die Protestbewegung "Protect the Results", ein Zusammenschluss von 165 lokalen NGOs, hat für die kommenden Tage USA-weit insgesamt 520 Demonstrationen angemeldet, sollte der Präsident die Auszählung der Stimmen stoppen lassen oder seine mögliche Niederlage nicht akzeptieren. (Florian Niederndorfer, 4.11.2020)