Die türkis-blaue Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz und seinem damaligen Vize Heinz-Christian Strache pumpte das meiste Werbegeld in den Boulevard.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Lob für Bundeskanzler Sebastian Kurz und Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache dürfte sich für manche Medien bezahlt gemacht haben – in Form von Inseraten der türkis-blauen Regierung. Österreichs Boulevardtrio "Kronen Zeitung", "Österreich/Oe24" und "Heute" waren die Hauptprofiteure der Regierungsanzeigen, die unter Türkis-blau in den Jahren 2018 und 2019 an Österreichs 14 Tageszeitungen und deren Onlineportale gingen.

So flossen über zwei Drittel (67 Prozent) der Werbeausgaben der Ministerien und des Bundeskanzleramtes in die drei Boulevardmedien. In Summe waren das in den Jahren 2018 und 2019 rund 21 von insgesamt 31 Millionen Euro. Das zeigt eine Studie vom Medienhaus Wien, die am Donnerstag präsentiert wurde.

Die Inserate gingen im zweiten Halbjahr 2019 drastisch zurück, da die Expertenregierung unter Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein ihre Werbeaktivitäten weitgehend einstellte.

Während die Boulevardmedien überproportional davon profitierten, wurde in Qualitätsmedien wie DER STANDARD (eine Million Euro) und "Die Presse" (1,75 Mio. Euro), aber auch in regionalen Blättern weit seltener inseriert. "Für den Boulevard war Lob für Kanzler und Vize jedenfalls bei der Inseratenakquisition kein Nachteil", sagt Studienautor Andy Kaltenbrunner vom Medienhaus Wien zum STANDARD: "Wir haben zwar keine Inhaltsanalyse der 14 Tageszeitungen gemacht, aber für jeden aufmerksamen Leser war sichtbar, dass der Zeitungsboulevard die ÖVP-FPÖ-Regierung deutlich wohlwollender kommentiert und Kanzler und Vize häufiger ins Bild gerückt haben als die meisten anderen, die vor allem gegenüber der FPÖ-Regierungsbeteiligung lesbar skeptisch waren."

Keine Inserate im STANDARD vom FPÖ-Vizekanzler

Am deutlichsten habe sich dieser Konnex bei den FPÖ-geführten Ministerien wie Inneres, Soziales und Verkehr manifestiert. "Da gingen 90 Prozent der Werbemittel an den Boulevard, das restliche Bagatellbudget wurde auf die anderen verteilt, manche Blätter wurden – wie DER STANDARD vom FPÖ-Vizekanzler oder die 'Vorarlberger Nachrichten' von der FPÖ-Sozialministerin – ganz von der Liste gestrichen", erklärt Kaltenbrunner. Die Werbepraxis österreichischer Regierungen sei zwar bereits seit vielen Jahren "ungeniert ideenlos und feudalistisch", unter Türkis-Blau wurden diese Zustände aber noch zementiert. Nach dem Motto: "Wir geben, wem wir wollen."

Vom ÖVP-geführten Bundeskanzleramt wiederum wurden im Beobachtungszeitraum Kampagnen überproportional in der "Kronen Zeitung" gebucht. In der Ära Sebastian Kurz I waren das 30 Prozent.

Den Zahlen liegt eine Auswertung der Medientransparenzdatenbank zugrunde, wo öffentliche Stellen jedes Quartal ihre Werbegelder an periodische Medien ab einer Höhe von 5000 Euro melden müssen. Um die Inseratenausgaben auf einzelne Leser runterzurechnen, wurden sie mit den Zahlen der Mediaanalyse in Beziehung gesetzt. Hier zeigt sich noch deutlicher, welche Medien bei Türkis-Blau im Fokus standen und welche nicht.

Inseratengeld pro Leser

So erhielten etwa "Österreich" in den Jahren 2018 und 2019 5,15 bzw. 3,74 Euro Inseratengeld pro Leser und "Heute" 3,89 bzw. 2,66 Euro. Zum Vergleich: DER STANDARD kam in den zwei Jahren auf 0,89 Euro und 0,73 pro Leser. "Vor allem die Gratiszeitung 'Österreich/oe24' bekommt je Leser sehr viel mehr Inseratenbudget zugeteilt als alle anderen Blätter. 'Österreich', 'Heute' und 'Kronen Zeitung' lukrierten zwei Drittel aller Werbeausgaben. Es ist eindeutig unverhältnismäßig, wenn vergleichsweise in den beiden nationalen Qualitätszeitungen 'Presse' und STANDARD nur um ein Zehntel des Gesamtbudgets inseriert wird und in sieben durchaus auch reichweitenstarken Regionalblättern nur um ein Fünftel", analysiert Kaltenbrunner.

Hinweis: "Neues Volksblatt" und "Wiener Zeitung" lassen ihre Leserzahlen nicht von der Media-Analyse erheben. Als Vergleichsgrößen wurden bei der Media-Analyse die täglichen LeserInnendaten an einem durchschnittlichen Wochentag herangezogen.
Hinweis: "Neues Volksblatt" und "Wiener Zeitung" lassen ihre Leserzahlen nicht von der Media-Analyse erheben. Als Vergleichsgrößen wurden bei der Media-Analyse die täglichen LeserInnendaten an einem durchschnittlichen Wochentag herangezogen.

In den Jahren 2018 und 2019 gab die Regierung rund 2,4 Millionen Euro für Onlineinformation aus. Am stärksten gebucht wurden laut der Studie Onlinekanäle der Boulevardzeitungen. "Krone.at" konnte knapp über 800.000 Euro erlösen, auf Angeboten von "oe24.at" wurde um rund 855.000 Euro (inklusive oe24.tv) gebucht, bei "heute.at" waren es knapp 370.000 Euro.

Bei derStandard.at (132.000), DiePresse.com (81.000), kleinezeitung.at (70.000) und kurier.at (55.000) sind die Online-Erlöse durch Regierungswerbung vergleichsweise gering. "Obwohl in den Reichweiten praktisch gleichauf als Online-Marktleader unter den Printmedienmarken wurde demnach etwa sechsmal so viel Geld für krone.at eingesetzt als für DerStandard.at", heißt es in der Studie. Als Grundlage für den Uservergleich wurden die Zahlen aus dem zweiten Quartal 2019 der Reichweitenstudie ÖWA Plus verwendet. In Ausgaben pro User umgerechnet kam oe24.at in den Jahren 2018 und 2019 auf 0,38 Euro an Regierungswerbung, derStandard.at nur auf 0,05 Euro.

Neue Kriterien für Regierungswerbung

Aus den Zahlen leitet Studienautor Kaltenbrunner einmal mehr die Forderung ab, dass die Vergabe der Regierungsinserate nach transparenten Kriterien erfolgen müsse und nicht nach parteipolitischer Strategie oder persönlicher Sympathie: "Derzeit wäre als Förderziel aus den Geldflüssen nur Unterstützung und Erhalt von Gratiszeitungen und eine Marktregulierung zugunsten der Boulevardpresse erkennbar. Aber ist das gewollt?" Eine zentrale Erfassung und regelmäßige Erläuterung solcher Regierungswerbung wäre ein Schritt vorwärts. Am wichtigsten sei aber die "klare Formulierung von Qualitätskriterien bei Kampagnen und von deren Kommunikationszielen". Das fehle bis dato. (Oliver Mark, Grafiken: Michael Matzenberger, 5.11.2020)