Die Polizei führte direkt nach dem Anschlag am Montag Hausdurchsuchungen und Festnahmen durch.

Foto: APA/Kerschbaummayr

Noch in der Nacht auf Dienstag, unmittelbar nach dem Terroranschlag von Wien, setzte eine erste Ermittlungswelle gegen die islamistische Szene in Österreich ein. Bis zum Morgengrauen wurden Hausdurchsuchungen und Festnahmen durchgeführt, am Donnerstagabend dann die Zahl von 16 Festnahmen bestätigt.

Die Staatsanwaltschaft Wien beantragte Untersuchungshaft für acht Beschuldigte, am Freitag wird entschieden, ob diese in U-Haft kommen oder auf freien Fuß gesetzt werden. Freitagmittag gab die Staatsanwaltschaft bekannt, dass sechs der Verdächtigen wieder enthaftet wurden. Bei ihnen hätte sich der Verdacht nicht erhärtet. Zwei seien noch in keine Justizanstalt eingeliefert worden.

Alle Festgenommenen sind "einschlägig aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur radikalislamistischen Szene bekannt", wie es in der Beantragung der Maßnahmen heißt. Alle verkehrten in Moscheen, die der salafistischen Szene zuzuordnen sind. Gegen mehrere Personen, etwa einen 2002 in Bangladesch geborenen Wiener, liefen schon vor dem Anschlag Ermittlungen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Vergangene Ausreiseversuche

Acht der Verdächtigen wurden laut Franz Ruf, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, bereits rechtskräftig verurteilt – vier für Terrorismusdelikte. Dazu zählt beispielsweise B. K., der gemeinsam mit dem späteren Attentäter von Wien auf der Anklagebank saß. Sie wollten beide in IS-Gebiete ausreisen; der spätere Attentäter schaffte es in den türkischen Grenzort Hayat; B. K. leistete aus Österreich den Treueschwur auf den IS-Anführer. Er hat sich offenbar kurz nach dem Attentat am Montagabend freiwillig gestellt.

Auch mindestens ein weiterer Festgenommener wollte einst nach Syrien gelangen, dem Vernehmen nach bereits 2015. Der damals 16-Jährige war gemeinsam mit seiner "Ehefrau" und weiteren Jihadisten mit Balkanwurzeln unterwegs; er wurde gestoppt und später verurteilt. Einer der Verdächtigen ist der Sohn jener Frau, auf die das Leihauto angemeldet war, mit dem der spätere Attentäter im Juli 2020 in die Slowakei fuhr, um Munition zu kaufen.

Zwei der Verdächtigen wurden wegen unterschiedlicher Gewaltdelikte und zwei wegen eines versuchten Ehrenmordes in Linz verurteilt. Einer der beiden wurde 2012 zu zehn Jahren Haft verurteilt und 2017 entlassen, der andere zu fünf Jahren und sechs Monaten. Er wurde 2015 entlassen.

Jung und mit Migrationshintergrund

Auffällig ist das geringe Alter der Verdächtigen: Die meisten wurden zwischen 1997 und 2002 geboren, einer der Verhafteten ist gerade einmal 16 Jahre alt. Auch der Attentäter selbst war nur 20 Jahre alt. Von den zwölf Personen, die schon in der Nacht auf Dienstag festgenommen wurden, sind sieben gebürtige Österreicher mit Migrationshintergrund. Zwei wurden im Kosovo geboren, zwei in Tschetschenien, einer in Bangladesch. Alle wohnten in Wien oder St. Pölten, ein Verdächtiger in Linz.

Unklar ist, ob alle Verdächtigen einander gekannt haben oder ob es sich generell um "auffällige" Kontaktpersonen des Attentäters handelt. Zwei der Festgenommenen gingen einst in St. Pölten miteinander in die Schule, viele waren im Vereinsfußball aktiv. In sozialen Medien sind nur zwei eindeutig identifizierbar, wobei die beiden miteinander nicht öffentlich interagiert haben dürften. Die Polizei prüft nun anhand sichergestellter Geräte und anderer Beweismittel, ob die Personen "Mittäter" sind oder "zumindest in Anschlagspläne involviert waren". Es gilt die Unschuldsvermutung. (Fabian Schmid, red, 5.11.2020)