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Österreichs Universitäten haben kaum Erfahrung mit Gründungen, wie Hauser und Gartner merken mussten. Die Initiative Spin-off Austria soll zu mehr Unternehmensgründungen an den heimischen Unis führen.

Foto: Getty Images

Herbert Gartner gibt selten Interviews. Dass er medienscheu sei, sei aber nichts als ein hartnäckiges Gerücht, sagt der Investor. Er sehe in Medienarbeit bloß keinen Vorteil für seine Start-ups, die ihre Hightech-Produkte nicht an den Endverbraucher, sondern vor allem an Unternehmen verkaufen. Das gilt freilich nicht für Spin-off Austria, seine neueste Initiative mit dem Tiroler Unternehmer und Investor Hermann Hauser. Den beiden Business-Angels zufolge werden zu wenige Start-ups an Österreichs Universitäten gegründet. Das wollen sie ändern. Aber wie?

STANDARD: Wie viele Start-ups entstehen an und um Österreichs Universitäten?

Gartner: Viel zu wenige. Österreich ist so weit hinterher, dass es fast schon wieder ein Vorteil ist (lacht). Wir können uns aus anderen Ländern abschauen, was dort gut funktioniert, und so versuchen, Entrepreneurship an den Unis besser zu verankern.

Hauser: Je weiter wir hintennach sind, desto größer das Wachstumspotenzial. Aber freilich sind wir nicht stolz auf die Situation in Österreich, sonst würden wir die Initiative für mehr sogenannte Uni-Spin-offs nicht machen. Es ist in Österreich schwierig, Uni-Projekte zu Start-ups weiterzuentwickeln.

Gartner: Dabei wären die Voraussetzungen in Österreich sehr gut. Es wird im Land unglaublich viel in Forschung und Entwicklung investiert, wir geben weit mehr als der OECD-Durchschnitt für jeden Hochschulabsolventen aus. Aber trotzdem gibt es derzeit an den öffentlichen Universitäten nur rund 20 Ausgründungen pro Jahr. Das sind weit weniger als die Technische Hochschule in Zürich ganz allein in einem Jahr produziert.

Herbert Gartner investiert mit seiner Firma eQventure in österreichische Tech-Start-ups.
Foto: eQventure

STANDARD: Wo drückt der Schuh?

Gartner: In Österreich sind Ausgründungsprojekte aktuell sehr mühsam. Es fehlt die Zielvorgabe, Forschungsergebnisse zum Wohl der Gesellschaft in wirtschaftliche Projekte zu übersetzen. Hermann und ich haben zum Beispiel ein gemeinsames Projekt im Quantencomputer-Bereich, dessen Ausgründung ein ganzes Jahr dauerte.

Hauser: Zwar war der Wille da, an der Ausgründung waren aber zwei akademische Einrichtungen beteiligt. Dass die Patente wertvoll sind, war allen klar. Die Forschungseinrichtungen tun sich aufgrund des Beihilfenrechts schwer und brauchen länger, als uns Investoren lieb ist, um den Wert und die Prozente, die ihnen zustehen, zu evaluieren. Das Spin-off verliert einen wesentlichen Vorsprung. Ich war mit diesen Fragen bereits vor 20 Jahren in Cambridge konfrontiert. Ich bin für Vereinfachung. Seien wir uns ehrlich: Manche Patente sind mehr wert, die meisten nichts (lacht). Fünf Prozent als Standard sind ein fairer Deal. Die Uni bekommt einen fairen Anteil im Durchschnitt über mehrere Spin-offs verteilt, und den Gründern bleibt ein Anteil, der groß genug ist, dass sie weitermachen wollen.

STANDARD:Gründen soll durch eine neue Gesellschaftsform, der Austrian Limited, einfacher werden. Falscher Ansatz?

Gartner: Die Austrian Limited ist gut und richtig. Aber viele Absolventen oder Lehrende denken gar nicht daran, dass Gründen auch eine mögliche Karriere ist. Das Thema Spin-offs wurde von der Politik fast übersehen, und deshalb nehmen wir das jetzt selbst in die Hand. Hermann und ich sind überzeugt, dass man da relativ rasch einiges bewegen muss.

STANDARD: Herr Hauser, Sie haben lange in Cambridge gewirkt. Was ist dort anders als in Österreich?

Hauser: Das Hauptprodukt von guten Universitäten sind gut ausgebildete Leute. Nicht jedes Start-up in Cambridge ist ein Spin-off in dem Sinn, dass an der Uni ein Patent entwickelt wurde oder das Unternehmen direkt aus einem Uni-Projekt hervorging. Aber Sie finden kein einziges Start-up dort, in dem nicht mindestens ein Absolvent der Uni in einer Führungsposition sitzt. Unis sind Cluster. Deshalb ist es so wichtig, dass wir jetzt einmal beim Bewusstsein dafür ansetzten, dass Gründen für Absolventen ein attraktiver Lebensweg sein kann.

Hermann Hauser ist Serienunternehmer, Investor und ein Pionier der britischen Computer-Industrie.
Foto: I.E.C.T.

STANDARD: Die Regierung hat im Zuge der Pandemie einen Hilfsfonds für Start-ups aufgestellt und privates Risikokapital verdoppelt. Hätten wir sonst ein Massensterben gesehen?

Gartner: Das war eine großartige Maßnahme, die es auch unabhängig von Corona gebraucht hätte, der Topf von 50 Millionen Euro rückzahlbarer Investitionen hätte auch noch üppiger ausfallen können. Dahinter steckt die Einsicht, dass es viele kleine und kluge Investments braucht, um eine gesunde Start-up-Landschaft entstehen zu lassen.

Hauser: Verdoppelung hat als Formel in vielen Ländern funktioniert. Und auch mit Blick auf die Krise ist es sinnvoll. Wie sagt man? Große Firmen schaffen einen BIP-Beitrag, kleine Firmen schaffen Jobs. Krisenzeiten machen die Menschen kreativ: Wenn Jobs bei großen Firmen schwer zu bekommen sind, suchen sich gut ausgebildete Leute Alternativen. Sie gehen zu kleinen Firmen oder gründen.

STANDARD: Wie erkennen Sie, dass ein Projekt Potenzial hat?

Hauser: Früher dachte ich, Technologie sei die Hauptsache. Jetzt weiß ich: Es ist das Team. Wichtig ist aber auch, welches Wachstumspotenzial der Markt hat. Ein A-Team mit C-Technologie ist aber immer besser als ein C-Team mit A-Technologie.

Dem STANDARD gaben Gartner (l.) und Hauser ein Doppelinterview. Des letzteren Zoom-Hintergrund ist übrigens sein Privatstrand in Neuseeland.
Foto: Spin-off Austria

STANDARD: Wann ist ein Team gut?

Hauser: Wenn es einen Star im Team gibt, entweder einen Tech-Star oder einen herausragenden Geschäftsführer. Man darf sich aber nicht täuschen lassen. Die Leute, die besonders von sich selbst überzeugt sind, sind oft keine Stars. Ob jemand ein Genie ist, findet man heraus, wenn man sich im Umfeld der Person umhört.

STANDARD: Herr Gartner, nach welchen Kriterien investieren Sie?

Gartner: Was Hermann sagt, gilt auch für uns. Die drei Faktoren muss man multiplizieren, nicht addieren. Wenn einer null ist, zum Beispiel das Team oder das Wachstumspotenzial, dann investieren wir nicht – egal wie gut das Start-up bei den anderen Faktoren abschneidet. Aber letztlich entscheidet bei eQventure jeder Klubinvestor selbst.

STANDARD: eQventure ist ähnlich aufgestellt wie ein Fonds, ist aber kein Fonds. Was ist der Unterschied?

Gartner: Wir sind ein Business-Angel-Klub. Das heißt, dass wir kein Kapital Dritter investieren, sondern wir investieren unser eigenes Geld. Wir haben auch Privatinvestoren aus dem Silicon Valley und aus Shenzhen bei uns. Somit fließen auch ausländisches Kapital und Know-how in österreichische Projekte. Was uns vielleicht von anderen Business-Angel-Klubs unterscheidet, ist, dass wir auch größere Finanzierungsrunden machen. Und zwar aus einem pragmatischen Grund: Es gibt fast keine Risikokapitalkultur in Österreich.

STANDARD: Herr Hauser, die von Ihnen mitgegründete Chip-Firma ARM stand zuletzt in den Medien. Der US-Konzern Nvidia will sie kaufen. Und Sie fänden das fürchterlich. Weshalb?

Hauser: Weil die Leute gar nicht wissen, wo ARM überall drinsteckt. In jedem Auto, in jedem Flugzeug, in jedem Smartphone steckt die Technologie. Bei Letzteren hat ARM sogar einen Marktanteil von 95 Prozent. Es geht also um eine strategisch wichtige Technologie, und das in Zeiten, in denen der US-Präsident kritische Technologien im Handelskrieg als Waffe einsetzt. Deshalb wäre es eine Katastrophe, wenn ARM an den US-Konzern Nvidia geht. Ich hoffe, dass es nicht passiert. Es geht um die europäische technologische Souveränität, die gefährdet ist. Deshalb hoffe ich, dass der Verkauf nicht geschieht. (Aloysius Widmann, 6.11.2020)