Das Finanzierungssystem über Tantiemen ist völlig eingebrochen.

Illustration: Armin Karner

Helen Zellweger, Geschäftsführerin des Wiener Verlages Schultz & Schirm, der auf Komödie und Satire spezialisiert ist.

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Zeno Stanek, Regisseur und Theatergründer, leitet den Bühnenverlag Kaiser, den sein Großvater, Franz Kaiser, 1926 gegründet hat.

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Maria Teuchmann ist Geschäftsführerin und Teilhaberin des Thomas-Sessler-Verlages in Wien und leitet dessen Verlagsprogramm.

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Im Lockdown-Jammer hört man jene nicht, denen auch in normalen Zeiten wenig Aufmerksamkeit zuteil wird. Im Theaterbereich sind das – neben vielen anderen – die Bühnenverlage, die Rechtewahrer von Theaterstücken. Sie sind nicht wie Buchverlage in Fördersystemen erfasst (keine Druckkosten), sondern leben rein von Tantiemen, von gewinnorientierter Vergütung. Der Spielstopp lässt sie ungebremst in ein finanzielles Loch fallen.

Seit März haben Theaterverlage enormen ökonomischen Schaden genommen, denn Tantiemen werden aus verkauften Eintrittskarten erlöst. In Österreich sind es im Durchschnitt 14 Prozent des Kartenpreises, die an den Theaterverlag gehen, der davon allerdings wiederum den Großteil an die Autorinnen und Autoren weitergibt. Mit den Theaterschließungen sowie den massiv reduzierten Distanz-Sitzplänen ist dieses Finanzierungssystem nun eingebrochen.

Maria Teuchmann, Geschäftsführerin des Thomas-Sessler-Verlags in Wien, prognostiziert für 2020 Umsatzeinbußen von grob zwei Dritteln des Vorjahres. Kurzarbeit und ein Fixkostenzuschuss haben die Lage nur zart gemildert.

"Typisch österreichisch"

Teuchmann ortet einen "typisch österreichischen Zustand": Wer im Fördersystem drinnen ist, wird weiter gefördert. Institutionen, die dies nicht sind und nun ausnahmsweise dringend Unterstützung bräuchten, haben wenig Chance. "Wir scheinen vergessen worden zu sein!" Auch an die von der Politik gemachte Ansage, dass Unternehmen "bis zu 80 Prozent des Umsatzes vom November des Vorjahres" ausbezahlt bekommen – beim Sessler-Verlag waren das im betreffenden Monat 570.000 Euro –, knüpft sie keine große Hoffnung. Zu vage sei die Formulierung "bis zu 80 Prozent", und gesichert sei nicht, ob dies auch auf Verlage zutreffe, da diese ja kein "Betretungsverbot" auferlegt bekommen hätten.

Verlage sind eine wichtige Drehscheibe im Theaterbetrieb. Sie wahren die Rechte von Autorinnen und Autoren; sie leisten Vermittlungsarbeit zwischen Autoren, Bühnen und Übersetzern; sie arbeiten mit Agenturen zusammen, um Stücke auch im Ausland zu präsentieren. Sie initiieren Dramatisierungen oder Neufassungen und sehen sich in der Nachwuchsautorenpflege in der Pflicht.

Minus 75 Prozent

Ein Bühnenverlag kann überhaupt nur leben, wenn er die Rechte sehr vieler Werke vertritt, sagt Zeno Stanek, Geschäftsführer des österreichischen Bühnenverlags Kaiser, den sein Urgroßvater Franz Kaiser 1926 gegründet hat. Er vertritt die Rechte von über 2000 Stücken. Wer Felix Mitterers Die Beichte oder Christine Eders Boatpeople aufführen will, kommt am Kaiser-Verlag nicht vorbei.

Stanek, auch Regisseur und Theatergründer (Litschau), beschreibt die Situation als "katastrophal" und beziffert den Einnahmenverlust mit minus 75 Prozent. Besonders groß sind die Einbrüche bei Amateurtheaterstücken, ein Standbein des Kaiser-Verlags. Deren Aufführungen sind praktisch zum Erliegen gekommen. Amateurtheater sind vor allem in infrastrukturschwachen Gegenden weit verbreitet, nicht nur in Österreich. Der Kaiser-Verlag vermittelt Stücke in ganz Europa. Doch fast überall ist der Spielbetrieb eingestellt.

Einen finanziellen Ausgleich erhofft sich Stanek von Verwertungsgesellschaften wie AKM (Autoren Komponisten Musikverleger), Austro Mechana oder Literar Mechana. Der Staat könne aber auch nicht ganz wegschauen, findet Stanek. Denn Theaterverlage vertreten nicht nur die Rechte von Autoren und deren Erben (erst 70 Jahre nach dem Tod des Autors werden sie frei), sondern seien auch Archive von kunsthistorischem Wert.

Wichtige Aufbauarbeit

Eine wichtige Aufgabe ist auch die Förder- und Entdeckerarbeit, Dramatiker mitaufzubauen. Das gilt auch für den jungen Schultz-&-Schirm-Verlag. Er wurde 2014 von Georg Hoanzl, Michael Niavarani und Helen Zellweger gegründet und steht ganz im Dienste der Komödie und satirischer Stoffe. Geschäftsführerin Zellweger sieht sich aktuell mit einem Umsatzeinbruch von 85 Prozent konfrontiert. Zum Glück hat der Verlag eine kleine Buchschiene, zu der ein erfolgreicher Titel der Kabarettistin Lisa Eckhart gehört. Doch das Gros der Verlagseinnahmen muss über Tantiemen verdient werden.

Schultz & Schirm ist Mitglied im deutschen Bühnenverlegerverband, auch dort herrschen "enorme Existenzängste", berichtet Zellweger von der letzten Sitzung. Der Verband hilft dabei, Verträge mit Fernseh- und Radiostationen auszuhandeln oder Rechte für Youtube zu klären. Denn die gerade im Lockdown oft unbedacht streamenden Theater besitzen die Rechte ja nicht. Diese müssen aber bei Internetveröffentlichungen abgegolten werden. Auch dafür sind Verlage da. (Margarete Affenzeller, 6.11.2020)