Jennifer O'Malley Dillon orchestrierte Joe Bidens Wahlkampf – vom Homeoffice aus.

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Gut möglich, dass es im Hause O'Malley Dillon dieser Tage in Sachen Schlafenszeit nicht ganz so streng zugeht. Schließlich werden die beiden siebenjährigen Zwillingsmädchen und der zweijährige Sohn sehr wahrscheinlich die ersten Gratulanten ihrer Mutter sein. Sie ist Joe Bidens Wahlkampfmanagerin. Mehr als ein halbes Jahr lang haben sie aus nächster Nähe mitbekommen, wie Jennifer O'Malley Dillon (44) das oberste Stockwerk ihres gelb gestrichenen Häuschens am Stadtrand von Washington Corona-bedingt in die Wahlkampfzentrale der Demokraten verwandelte.

Weil man dort die Pandemie von Beginn an ernster nahm als bei Donald Trumps Republikanern, liefen anstatt wie geplant in Philadelphia in dem ruhigen Vorort die Fäden von Bidens Wahlkampf zusammen – und "Jen" wurde wenige Tage nach ihrem Arbeitsbeginn zum remote werkenden "Geist auf dem Dachboden", wie die beiden Zweitklässlerinnen Berichten zufolge zu scherzen pflegen.

Auch wenn ihr Arbeitsplatz wohl eher wie ein klammes Start-up anmutet als die derzeit weltweit bedeutsamste Wahlkampfmaschinerie, verbirgt sich hinter der Urenkelin irischer Einwanderer eine Veteranin ihrer Zunft. 2008 zog sie für Barack Obama in den "Battleground States" an die Front, sorgte für Disziplin in den eigenen Reihen und entfachte unter ihren Landsleuten jene Wechselstimmung, die Obama schließlich ins Weiße Haus trug.

Kurze Zeit in Texas

2012 stieg O'Malley Dillon zur Vize-Wahlkampfchefin auf, eine Woche nach Obamas Wiederwahl kamen die Zwillinge zur Welt. 2019 übersiedelte die Familie – Gatte Patrick war ebenfalls für die Demokraten aktiv – nach El Paso, um die kurzlebige Präsidentschaftskandidatur von Beto O'Rourke zu unterstützen.

Und beinahe wäre ihre Karriere an diesem Punkt zu Ende gewesen. Denn noch einmal, erzählte sie der "Washington Post", wollte sie ihrer Familie diesen Stress nicht antun. Doch weil Biden nach den Schlappen der ersten Vorwahlen just dann händeringend nach einer Trendwende suchte, als die Pandemie zuschlug, sagte sie doch zu – und ersparte Kindern und Ehemann, Homeoffice sei Dank, auch noch einen neuerlichen Umzug. Geschickt nutzte sie die neuen Technologien für Bidens Aufholjagd; und früher als andere erkannte sie in der Corona-bedingten Isolation vieler Amerikaner auch eine Chance, Kontakt herzustellen, wie sie sagt. Nun kann "Jen", die sich selbst gerne als "Coach" eines Teams betrachtet, wohl bald die Früchte ihrer Arbeit ernten. (Florian Niederndorfer, 5.11.2020)