Die medizinische Versorgung stößt im Westen an ihre Grenzen. Es ist bereits vom "Horrorszenario Triage" die Rede.

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Zufall oder doch eine signifikante Korrelation? Jene Bundesländer im Westen Österreichs, die dem Appell der Bundesregierung gefolgt sind und die Sperrstunden der Gastronomie vorverlegt hatten, weisen momentan in der Sieben-Tage-Inzidenz die höchsten Covid-19-Infektionszahlen auf. Führend: Tirol, Vorarlberg, Oberösterreich. Wien hingegen hatte eine Vorverlegung mit dem Argument abgelehnt, das "Partyverhalten" verlagere sich in den privaten, kaum regelbaren Raum, während die Gaststätten unter Kontrolle stünden.

7416 Neuinfektionen

Fakt ist, in Ländern wie Tirol spitzt sich die Situation dramatisch zu. Bundesweit wurde am Donnerstag mit 7416 Fällen ein neuer Höchststand an Neuinfektionen gemeldet.

Alexandra Kofler, ärztliche Direktorin der Klinik Innsbruck, berichtet dem STANDARD von einer sich täglich verschlechternden Lage: "Wir beobachten einen massiven Anstieg bei den Hospitalisierungen und müssen bereits Leistungen herunterfahren." Anders als im Frühjahr seien die Spitäler diesmal voll. "Im Gegensatz zur ersten Welle wurden im Vorfeld keine Betten freigemacht, sondern Stufenpläne entwickelt." Es seien aber weniger die verfügbaren Betten, die Kofler Sorge bereiten, sondern das einsetzbare Personal: "Anders als bei der ersten Welle haben wir diesmal sehr viele erkrankte Mitarbeiter. Das ist ein echtes Problem, denn wenn uns die ausfallen, nutzen uns auch all die Maschinen nichts." Die Klinik Innsbruck habe daher am Donnerstag begonnen, weniger ausgelastete Stationen zusammenzulegen, um Personal für die Behandlung von Covid-Patienten freizuspielen. Angesichts der täglich stark steigenden Infektionszahlen müsse man sich auch auf die Einrichtung eines Triage-Systems einstellen, bestätigt Kofler: "Das ist ein Horrorszenario für jeden Mediziner, aber ich fürchte, dass es in diese Richtung gehen wird, wenn die Fallzahlen weiter so ansteigen. Es betrifft uns alle, wir haben auch 20-Jährige auf der Intensivstation liegen."

Gerüchte um Schulschließungen

Fast zeitgleich mit den neuen Infektionszahlen tauchten am Donnerstag neue Gerüchte über angeblich bereits für Montag geplante Schulschließungen auf. Gemeint sind damit die Pflichtschulen – die Schülerinnen und Schüler der Oberstufenklassen befinden sich ja bereits seit Dienstag im Distance-Learning. Einhelliger Tenor: Zwischen 12. und 14. November soll entschieden werden, ob und welche neuen Maßnahmen es braucht – auch im Schulbereich. Früher würden neue Verschärfungen auch keinen Sinn machen. Der neue Lockdown ist ja gerade mal drei Tage in Betrieb. Das scheint Common Sense zu sein, auch zwischen dem an sich schulschließungsfreudigen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP), der den Unterricht vor Ort so lange wie möglich aufrechterhalten will. Faßmann sah auch am Donnerstag "keinen Grund, von dieser Vorgangsweise abzuweichen". Schließlich sah sich auch das Bundeskanzleramt genötigt, auf die Gerüchte zu reagieren, und ließ via Twitter verlauten: "Es gibt definitiv keinen Plan, mit Montag Schulen zu schließen.

In Wien verweist man offiziell auf die Vorgaben des Bundes. Nach Informationen des STANDARD ist das Szenario "Schulschließung" in Wien aber dennoch ein Thema. Angesichts der aktuell dahingaloppierenden Corona-Neuinfektionszahlen ist das auch nicht vom Tisch zu wischen. Die Gefahr der Infektion von Schulkindern rückt in den Vordergrund – ebenso die Übertragung des Virus durch Kinder an ihre Eltern oder vice versa.

Bei Umstellung auf Distance-Learning müssten zudem viele Eltern gezwungenermaßen zu Hause bleiben – was die Kontakte der Erwachsenen drastisch reduzieren würde. Klar ist aber auch, dass mit dieser Maßnahme die Unzufriedenheit in der Bevölkerung stark steigen dürfte. Dazu kommt die Herausforderung, vor der dann Unternehmen stehen.

Sonderbetreuungszeit

Hier gibt es eine Neuerung, die helfen könnte – rückwirkend ab 1. November: Der Anspruch auf Sonderbetreuungszeit soll auf vier Wochen ausgeweitet und mit Rechtsanspruch versehen werden. Türkis und Grün haben einen entsprechenden Initiativantrag im Nationalrat eingebracht. Dienstgeber erhalten damit bis zu 100 Prozent Entgeltersatz. (Steffen Arora, David Krutzler, Karin Riss, Walter Müller, Michael Völker, 6.11.2020)