In Barcelona gibt es Superblocks schon seit Jahrzehnten. Kommen Sie jetzt nach Wien?

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Die Menschen in die Mitte, die Autos an den Rand – das ist die Grundidee des sogenannten "Superblocks". Barcelona hat das neue Stadtplanungskonzept schon in den 1990ern umgesetzt und seitdem erfolgreich nach New York, Paris und London exportiert. Nun fordert auch die linke Partei Wandel einen solchen Superblock für Wien-Neubau. Dieser würde den Bezirk nicht nur grüner, sondern auch sozial gerechter machen, glauben die In-itiatoren.

"Idealtypisch misst ein Superblock 400 mal 400 Meter", erklärt Harald Frey vom Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien. Der motorisierte Verkehr – auch der öffentliche Verkehr – ist nur an den Rändern eines solchen Quadrats zugelassen, der innere Teil ist verkehrsberuhigt. In der Vorreiter-Stadt Barcelona konnten so innerhalb des Superblocks 75 Prozent der Verkehrsflächen umgewidmet werden, indem Straßen für den Durchgangsverkehr gesperrt und Parkplätze minimiert wurden. Das bietet Platz – für Parks, Sitzgelegenheiten, Bepflanzungen, Spielplätze oder Märkte und lädt zum Sitzen, Spielen und Flanieren ein.

Für das innerstädtische Wien wäre mehr Grün statt Grau eine wichtige Maßnahme, um die gravierendsten Folgen der ökologischen Krise abzufedern. "Aber es reicht nicht, den Menschen nur zu sagen, dass Autofahren schlecht ist", erklärt Wandel-Vorstand Christoph Schütter. "Man muss den Menschen auch Alternativen anbieten."

Illustration: Fatih Aydogdu

Frey, der mit seinem Team im Rahmen des Sondierungsprojekts "Superbe" große Teile Wiens auf die Anwendbarkeit von Superblocks untersuchte, erklärt, dass sich einerseits "die gründerzeitlichen Strukturen" der westlichen Bezirke Wiens aufgrund ihrer Rasterstruktur gut für einen Superblock eignen würden. Andererseits sei auch Neubau "sehr gut geeignet", findet Frey – "durch seine Flächengröße und den hohen Anteil an Garagenplätzen".

In der grünen Bezirksvorstehung von Neubau will man zwar nicht von "Superblock" sprechen, denkt aber in eine ähnliche Richtung. Auf nur zwei Prozent Grünfläche kommen im siebenten Bezirk etwa 25 Prozent Verkehrsfläche, die größtenteils dem motorisierten Verkehr vorbehalten sind.

Nur gerecht ist super

"Diesen Raum brauchen wir", fordert Grünen-Bezirksvorsteher Markus Reiter. Während seiner Zeit als Bezirksvorsteher machte er die Neubaugasse zur Begegnungszone, 2021 soll die Zollergasse folgen – "und wir werden in Zukunft einen Straßenzug nach dem anderen angehen", betont Reiter. Sein "Traum" sei es, dass die Kinder irgendwann ohne Bedenken in den Straßen des siebenten Bezirks spielen können.

Das Konzept Superblock hält Reiter zwar für einen "spannenden Ansatz", langfristig wolle er aber auch die Hauptverkehrsrouten im Bezirk angehen. Bei der Verkehrsplanung im Bezirk müsse es um mehr gehen "als nur um ein paar Blocks, um ein Gesamtkonzept".

Geht es Reiter um mehr als ein paar Blocks, will Schütter, dass es sich um mehr als nur um den Verkehr dreht: "Wir haben nichts davon, wenn dieser Block kühl, grün und supercool ist – aber so extrem teuer, dass sich das niemand mehr leisten kann." "So ein Superblock", findet Schütter, "ist nur dann super, wenn er sozial gerecht ist und leistbares Wohnen garantiert."

"Gerade dort, wo Menschen mit geringem Einkommen leben, herrscht viel Auto- und ruhender Verkehr", erklärt Frey. Wenn Familien in kleinen Wohnungen leben müssen, brauche es für Kinder Platz zum Spielen. Eine Verkehrsberuhigung sorge nicht nur für genügend öffentlichen Raum, sondern auch die notwendige Sicherheit. Anders als noch vor 50 Jahren, so Frey, "ist der öffentliche Raum heute technisch deformiert, gemaßregelt, kontrolliert". Frey spricht von "monofunktionalem Flächenverbrauch", dem Imperativ, dass jede und jeder mit ihrem Auto bis vor die eigene Tür fahren kann. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das für Neubau, dass auf einen Autostellplatz sieben Einwohner kommen, auf einen Baum 351, rechnet Frey vor.

Trotzdem: Auch wenn die Notwendigkeit offensichtlich erscheinen mag und die Bezirkspolitik ähnliche verkehrspolitische Vorstellungen hegt, ist der Superblock "kein Projekt, das man mal in einem Sommer umsetzt. Da geht es um Jahrzehnte", erklärt Schütter.

Auch Frey warnt realpolitisch davor, von jetzt auf gleich die verkehrspolitische 180-Grad-Wende vollziehen zu wollen: "Man kann nicht von heute auf morgen sagen, alle Autos müssen raus. Das muss schrittweise gehen." Ein Superblock müsse vielmehr als Norm, als Zielvorgabe oder Vision verstanden werden. (Johannes Greß, 7.11.2020)