Der Flughafen, benannt nach dem Ortsteil Tegel, hat nach der Eröffnung des BER ausgedient. Auf dem Areal entsteht nun ein Forschungs- und Industriepark.

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Still ist es geworden – und leer. Die meisten kleinen Läden sind schon geschlossen. Nur noch ein paar Magazine liegen dort, wo man früher Berliner Bären, Schokolade, Regenschirme, Duschgel und schrecklich teure Sandwiches kaufen konnte. Einsam sitzt ein Sicherheitsmann auf seinem Platz und schaut aufs Handy.

Früher kam man im Terminal A manchmal kaum vorwärts, weil die Warteschlange nach Madrid den Weg versperrte oder, gleich daneben, die Ankommenden aus Wien so freudig begrüßt wurden, dass man Platzangst bekam – erst recht, wenn sich vor dem Lost-&-Found-Counter auch viele versammelt hatten.

Doch in diesen letzten Tagen des Berliner Flughafens Tegel ist nicht mehr viel los. Auch zum Gate A 13 zum Flug nach London wollen nur noch ein paar Passagiere. "Das ist mein letzter Flug heute von Tegel, und das tut mir schon sehr leid. Es ist einfach schade um diesen sehr besonderen Flughafen", sagt Sabine. Sie hat ihn, wie viele andere Berlinerinnen und Berliner, immer ein wenig als "Wohnzimmer" empfunden.

Nur wenige Kilometer vom Zentrum entfernt, erschwingliche Taxifahrten, und am Airport selbst keine langen Fußmärsche – so werden viele TXL in Erinnerung behalten. Irgendjemand hat einmal ausgerechnet, dass man im günstigsten Fall vom Auto zum Gate nur 28 Meter gehen musste. "Du warst klein und hast Großes geleistet", heißt es unter dem Hashtag #dankeTXL.

"Da hat es der BER extrem schwer, auch nur ansatzweise heranzukommen", meint ein Tegel-Fan im Netz. Doch der BER ist genau der Grund, warum Tegel nun in Pension muss. Es war immer klar: Wenn der BER ans Netz geht, dann schließt der alte Hauptstadtflughafen.

Jetzt ist es so weit, auch wenn es viele Berlinerinnen und Berlin nicht wahrhaben wollen. Doch die Eröffnung des BER hat sich tatsächlich nicht noch einmal verzögert, sie gelang am vergangenen Wochenende mit neun Jahren Verspätung.

Der letzte Flug geht nach Paris

Heute, Samstag, starten in Tegel die letzten Maschinen, und am Sonntag schließt sich der Luftkreis mit einem allerletzten, besonderen Abflug. Eine Maschine der Air France wird in den Himmel steigen und nach Paris fliegen. Vor 60 Jahren, am 2. Jänner 1960, war es ein Flugzeug aus Paris, das den Linienverkehr in Tegel einläutete. Damals durften nur die Fluglinien der drei Westalliierten (Frankreich, USA, Großbritannien) den Airport anfliegen.

Auch der Berliner Bürgermeister Michael Müller (SPD) ist betrübt, dass dieses Kapitel nun endet. "So ein Flughafen mitten in der Stadt mit so kurzen Wegen, wo man quasi vom Auto aus den Check-in-Schalter sieht, den wird es so wohl nie wieder geben", bedauert er, fügt aber hinzu: "Auf der anderen Seite eröffnet uns der BER wieder neue Möglichkeiten, die Tegel nie bieten konnte."

Wohl wahr. Denn bei aller Nostalgie, es war häufig zum Aus-der-Haut-Fahren, und das begann schon bei der Anfahrt. Wenn es sich staute – und das tat es oft –, dann war es aber immerhin ein demokratischer Stau, unter dem alle litten. Die einen im Taxi, die anderen im TXL-Bus, aber niemand hatte einen Vorteil, denn es ruckelten eben nur Busse raus zum Flughafen, er hatte keinen U- oder S-Bahn-Anschluss.

Das ist jetzt beim BER anders, dort kann man staufrei mit der Bahn anreisen und direkt unter dem Terminal aussteigen.

Dafür hat der TXL bei seiner Errichtung sehr, sehr eindeutig die Nase vorn. 14 Jahre betrug die Bauzeit für den BER, Tegel hingegen wurde in nur 90 Tagen errichtet.

1948 war das, als die Sowjets den Westteil Berlins blockierten. Die Bevölkerung wurde mittels Luftbrücke mit Lebensmitteln versorgt. Doch die Kapazitäten der beiden bestehenden Flughäfen im Westen – Tempelhof und Gatow – reichten nicht aus, also wurde in Windeseile im französischen Sektor ein dritter Flughafen aus dem Boden gestampft. Die Start- und Landebahn war mit 2428 Metern die damals längste in Europa. Nach dem Mauerbau 1961 wurde Tegel für viele Westberliner das "Tor zur Welt". Nur so konnten sie aus ihrer Stadt ausreisen, ohne einen Fuß in die DDR setzen zu müssen.

Auch Dietrich Rudeloff, Rentner aus Ostberlin, verbindet mit dem Flughafen viele besondere Erinnerungen. Er steht in der letzten Woche vor der Schließung in der Schlange für die Besucherterrassen an und will noch einmal einen Blick auf jene Landebahn werfen, auf der er den ersten Westberlin-Kontakt hatte.

Keine große Shoppingmall

"Ich durfte aus Ostberlin nicht zu meiner Schwester nach Westberlin fahren", erzählt er. Aber 1986 bekam er eine Genehmigung zur Ausreise für eine Familienfeier in Nürnberg. Mit dem Zug fuhr er hin, setzte sich in den Flieger und flog nach Tegel, um seine Schwester kurz zu sehen: "Es war überwältigend."

"Schick" geworden war Tegel 1974, als das Hauptterminal A eröffnet wurde. Seither steht dort das berühmte Hegaxon, an das die Flugzeuge andocken – geplant von den damals unbekannten Architekten Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg. Beide wurden damit berühmt.

Gerkan hat später den Berliner Hauptbahnhof gebaut, aber der ist das Gegenteil von Tegel: eine Shoppingmall mit angeschlossener Reisemöglichkeit. In Tegel hingegen sollten Menschen einfach an- und abfliegen können.

Und das taten immer mehr, vor allem nach der Wende, als auch die Billigflieger mit Trips, die günstiger waren als die Taxifahrt zum Airport, lockten. Für zwei Millionen Menschen jährlich war Tegel 1974 konzipiert worden, 24 Millionen Passagiere wurden 2019 abgefertigt. Es gab Pläne für eine großzügige Erweiterung, aber diese wurden nie umgesetzt. Die später dazugestellten Terminals waren immer nur eine funktionale Notlösung.

Überfüllung am frühen Morgen

"Tegel ist zu klein geworden und entspricht nicht mehr den Standards eines modernen Flughafens. Wer mal mit 1500 Personen im Terminal C morgens um sechs an der Security angestanden hat, weiß, wovon ich spreche", sagt auch der Chef der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, Engelbert Lütke Daldrup, dem es gelang, den BER tatsächlich an den Start zu bringen.

Die bescheidenen Einkaufsmöglichkeiten konnten viele leicht verkraften, es gibt in Berlin genug Möglichkeiten zum Shoppen. Aber Toiletten, etwas größer als eine Sardinenbüchse, wären schon fein gewesen. Am BER gibt es die natürlich, und die Berliner werden sich daran gewöhnen. Tegel aber schult komplett um. Auf dem Areal entsteht ein Forschungs- und Industriepark. Der Flugbetrieb ist jedoch Geschichte. (Birgit Baumann aus Berlin, 7.11.2020)