Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja am Donnerstag in Wien.

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Wien/Minsk – Bei einem runden Tisch in Wien haben am Freitag unter der Ausschluss der Öffentlichkeit prominente Vertreter der belarussischen Zivilgesellschaft mit österreichischen Experten und Diplomaten konferiert. Bei den Gesprächen habe es Konsens über eine mögliche Rolle von Österreich als Mediator und Moderator gegeben, verlautbarte der Wiener Thinktank ICEUR am Abend in einem Kommuniqué.

Bei der Veranstaltung im Palais Niederösterreich nahmen neben Ex-Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja, ihrem außenpolitischen Berater Franak Wjatschorka, dem Politikerehepaar Weronika und Waleri Zepkalo auch zwei Vertreter von Ex-Kulturminister Pawel Latuschko teil, der wegen einer Erkrankung nicht nach Wien kommen konnte. Ihnen gegenüber saßen Ex-Vizekanzler Erhard Busek, der Wiener Politologe Hans-Georg Heinrich und der Diplomat Martin Sajdik als Vertreter des Veranstalters ICEUR. Präsent waren aber auch Gerhard Sailler vom Außenministerium und der Vertreter der EU-Kommission in Österreich, Martin Selmayr.

Einfluss auf Lukaschenko

Beim dem Treffen sei es insbesondere darum gegangen, die Ansichten und Strategien von Persönlichkeiten in Erfahrung zu bringen, die allem Anschein nach einen wichtige Rolle im öffentlichen Leben in Belarus spielen werden, referierte ICEUR in seinem Kommuniqué.

"Diese Konferenz war als Brainstorming zum Thema Ausweg aus der Krise sehr wichtig", sagte am Freitagabend Tichanowskaja-Berater Wjatschorka. Abgesehen von aktuellen Fragen wie konkreter Hilfe für die belarussische Gesellschaft, habe man auch Mittelfristiges in Bezug auf eine Transitperiode und langfristige Fragen in Bezug auf Reformen sowie Investitionspläne besprochen, erklärte er. Auch mögliche Verhandlungsformate seien thematisiert worden.

Österreich sei zwar nicht mit Russland zu vergleichen, habe aber dennoch einen großen Einfluss auf Belarus, erläuterte Wjatschorka das Interesse der belarussischen Opposition an Kontakten nach Österreich. Dieser Einfluss hat mit langjährigen Kontakten Österreichs auf politischer Ebene zu Lukaschenko und seiner Präsidentschaftskanzlei zu tun, aber auch mit 17 österreichischen Firmen, die mit großen Konzernen in Belarus zusammenarbeiten, sagte er. Dazu gehört unter anderem der Telekommunikationskonzern A1 der während der Proteste in Belarus auf Anrodnung der dortigen Behörden schon mehrmals das Internet gedrosselt hat. Nach Kritik erklärte der Kozern, man müsse sich an die Gesetzeslage in Belarus halten.

"Diese österreichischen Firmen könnten etwa Repressionen stoppen, indem sie ihre Zusammenarbeit mit weißrussischen Partnern davon abhängig machen, dass letztere keine Arbeiter (aus politischen Gründen, Anm.) entlassen oder Gewerkschaften zulassen", betonte Wjatschorka.

Treffen mit Kurz am Donnerstag

Bereits am Donnerstag traf Tichanowskaja Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und die außenpolitischen Sprecher von ÖVP, Grünen, SPÖ und Neos im Parlament. Kurz sicherte ihr einmal mehr die "volle Unterstützung Österreichs" für die Demokratiebewegung zu. Demnach brachte Kurz in dem Gespräch auch seine Unterstützung für das derzeit laufende EU-Sanktionenpaket zum Ausdruck. Es sei "richtig und wichtig, gezielt gegen jene Personen vorzugehen, die Wahlbetrug, Wahlfälschung betrieben und friedliche Demonstrationen unterdrückt hätten", so der Kanzler.

Angesprochen auf die Rolle österreichischer Unternehmen in Belarus hieß es aus dem Bundeskanzleramt, dass diese "auch ein Fenster nach Europa" seien, "das man gerade jetzt nicht schließen sollte". Österreich habe aber die durch die belarussischen Behörden angeordnete Internetblockade bereits im August deutlich kritisiert und dazu aufgefordert, diese umgehend aufzuheben, hieß es mit Blick auf A1. (APA, red, 6.11.2020)