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Der scheidende US-Präsident sah Boris Johnson gerne als "Britain Trump".

Foto: Reuters / Peter Nicholls

Nach tagelangem Schweigen reagierte die britische Regierung am Wochenende rasch auf die Nachrichten aus Washington. Premier Boris Johnson gratulierte nicht nur Joe Biden "zu seiner Wahl als Präsident der Vereinigten Staaten", sondern ausdrücklich auch Kamala Harris zu "ihrem historischen Erfolg". Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit "unserem wichtigsten Verbündeten" auf Feldern wie Klimawandel, Handel und Sicherheit.

Der frühere Außenminister Johnson ist dem früheren Vizepräsidenten Biden nie persönlich begegnet. Auch sonst haben die Regierungsspitze und Londons Diplomaten in Washington kaum persönliche Kontakte ins Lager der Demokraten. Das hängt nicht zuletzt mit deren tiefer Skepsis gegenüber "Britain Trump" zusammen, wie Wahlverlierer Donald Trump den Engländer im vergangenen Jahr zärtlich tituliert hat.

Biden hält Johnson laut Insidern für einen "emotionalen und politischen Klon" des derzeitigen Bewohners im Weißen Haus und steht, anders als sein Vorgänger, dem britischen EU-Austritt extrem kritisch gegenüber. Im September übte er öffentlich harte Kritik am Plan der britischen Regierung, den Austrittsvertrag und damit das Völkerrecht zu brechen: Wer das Karfreitagsabkommen von 1998 und damit den Frieden in Nordirland gefährde, könne nicht mit einem Handelsabkommen rechnen. Ohnehin verweist der Katholik Biden stets stolz auf seine irischen Wurzeln.

Schwieriges Verhältnis

Unvergessen bleibt in Washington zudem Johnsons Bemerkung in der Brexit-Schlacht 2016, der damalige Präsident Barack Obama sei "Halb-Kenianer" und deshalb anti-britisch. Obamas früherer Vize-Pressesprecher Tommy Vietor nannte Johnson nach dessen Gratulation auf Twitter einen "Schleimer: Wir werden niemals Ihre rassistischen Bemerkungen und Ihre sklavenhafte Hingabe an Trump vergessen." Beinahe noch ablehnender als Biden, glaubt "Sunday Times", stehe dem blonden Engländer die künftige Vizepräsidentin Harris gegenüber. Das konservative Blatt beschreibt das künftige angloamerikanische Verhältnis vornehm als "Herausforderung".

Unverdrossen setzte Dominic Raab am Sonntag die Londoner Charmeoffensive fort: Biden werde "keinen tolleren Verbündeten und keinen verlässlicheren Freund" haben als Großbritannien, schwärmte der Außenminister und Vizepremier im TV-Sender "Sky". Noch begeisterter – und gleichzeitig regierungskritisch – äußerte sich Labour-Oppositionsführer Keir Starmer in seiner Gratulation an Biden: Dieser habe mit Werten Wahlkampf geführt, "die wir im Vereinigten Königreich teilen – Anstand, Integrität, Mitgefühl und Stärke". (Sebastian Borger aus London, 8.11.2020)