Donald Trump hat die Wahl ziemlich sicher verloren, aber er weigert sich dennoch, die traditionelle Rede des unterlegenen Kandidaten zu halten – die Rede, in der er seine Niederlage eingesteht.

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Frage: Ist es sicher, dass Joe Biden der nächste Präsident der USA wird?

Antwort: Mediennetzwerke haben den Demokraten als Gewinner ausgerufen – und das nach sorgfältiger Einschätzung der noch zu zählenden Stimmen. Demnach hat Joe Biden bei den Wahlleutestimmen einen so großen Vorsprung auf Donald Trump, dass er uneinholbar ist. Das Ergebnis ist aber noch nicht offiziell, denn das Wahlergebnis ist noch nicht zertifiziert. Die Bundesstaaten haben unterschiedliche Deadlines für den Abschluss des Auszählungsverfahrens.

Frage: In mehreren Bundesstaaten hat das Team rund um Donald Trump bereits Klagen eingereicht oder angekündigt. Wie aussichtsreich sind die?

Antwort: Noch vor Zertifizierung der Wahlergebnisse haben das Kampagnenteam rund um Donald Trump und der Amtsinhaber selbst bereits von Wahlbetrug gesprochen und Klagen eingereicht, um Stimmauszählungen zu stoppen oder zu beeinflussen. In den umkämpften Bundesstaaten Georgia und Michigan sind sie damit bereits vor Gerichten abgeblitzt.

In Arizona hat die republikanische Partei gemeinsam mit dem Team des Präsidenten Klage eingereicht, weil angeblich tausende persönlich abgegebene Stimmen im Raum Phoenix nicht berücksichtigt wurden. Außerdem liegt auch bereits eine Klage gegen die demokratische Staatssekretärin von Arizona, Katie Hobbs, vor. Es sei nämlich Leuten ermöglicht worden, für mehre Kandidaten abzustimmen. Kurz zuvor war eine Klage in dem Bundesstaat im Zusammenhang mit Markern abgewiesen worden. Republikaner hatten behauptet, dass der Einsatz von gewissen Textmarkern die Stimmen habe ungültig werden lassen.

In Sachen Stimmauszählung im Bundesstaat Pennsylvania haben die Republikaner den Supreme Court angerufen. Dabei geht es um die Annahme von Briefwahlstimmen nach dem Wahltag, solange sie den Poststempel des Wahltags tragen. Der Klage werden aber wenige Chancen eingeräumt, da den Wählerinnen und Wählern vorher versichert worden sei, dass ihre Stimme in dem Fall noch gültig sei, und sie mit dem Wissen abgestimmt haben. Außerdem werden die später eingetroffenen Stimmen in Pennsylvania sowieso schon extra gezählt. Und es geht um weniger Stimmen als Bidens Vorsprung beträgt.

Selbst wenn einige Klagen in den Bundesstaaten durchgehen, dürften sie laut Experten das Wahlergebnis nicht beeinflussen. Laut Berichten des Wall Street Journal will sich das Rechtsteam von Trump aber Anfang der Woche treffen und weitere gerichtliche Vorgehensweisen besprechen.

Frage: In manchen Bundesstaaten sollen die Stimmen neu ausgezählt werden. Kann das das Ergebnis noch verändern?

Antwort: Eine Neuauszählung in den Bundesstaaten, in denen Biden besonders knapp gewonnen hat, gilt als fix – auch wenn es noch die Zertifizierung des Ergebnisses braucht, um dies zu initiieren. So darf der unterlegene Kandidat in Wisconsin dann eine Neuauszählung beantragen, wenn die beiden erstgereihten Kandidaten innerhalb eines Prozentpunkts liegen, in Georgia darf der Abstand dafür maximal 0,5 Prozentpunkte betragen. In Pennsylvania wird automatisch neu ausgezählt, wenn der Abstand weniger als 0,5 Prozent beträgt.

Eine Neuauszählung bedeutet aber nicht, dass bei der ursprünglichen Zählung etwas falsch gelaufen ist. Es passiert sehr selten, dass sich dadurch ein Wahlausgang ändert. Laut der Plattform Fair Vote gab es von 2000 bis 2019 insgesamt 5.778 US-weite Wahlen und 31 US-weite Neuauszählungen. Nur dreimal wurde das Ergebnis gedreht.

Frage: Trump hat bereits vor der Wahl angekündigt, notfalls den Supreme Court einzuschalten. Können die Richter das Ergebnis noch ändern?

Antwort: Obwohl drei der neun Richterinnen und Richter von Donald Trump ernannt wurden und die Konservativen eine Mehrheit von sechs zu drei im Supreme Court haben, ist es sehr unwahrscheinlich, dass sie das Wahlergebnis bestimmen. Denn Trump konzentriert sich in seinen Anschuldigungen vor allem darauf, dass Briefwahlstimmen nach dem Wahltag ausgezählt wurden. Diese wurden aber vor dem oder am Wahltag abgegeben.

Es gibt derzeit sehr wenige bis gar keine Anzeichen auf illegal abgegebene Stimmen, geschweige denn auf weitverbreiteten Wahlbetrug. Der Supreme Court will als überparteiliche Institution wahrgenommen werden. Um die Wahl noch in Richtung Trump drehen zu können, müssten die Richter in mehreren Staaten eingreifen – und das ohne stichhaltige Beweise. Experten glauben nicht, dass das Gericht das tun wird – auch wenn eine Rechtsberaterin von Trump auf Fox News nahegelegt hat, dass vor allem die vom Präsidenten ernannten Richter ihre Schuld begleichen sollten.

Die Rechtsberaterin von Donald Trump auf Fox News.

Frage: Gibt es sonst noch einen legalen Weg, dass Donald Trump Präsident wird?

Antwort: Ja, den gibt es. Denn bis jetzt war es Usus, dass der unterlegene Kandidat eine Rede hält, in der er seine Niederlage eingesteht. Das war immer dann der Fall, wenn ein Sieger durch die Nachrichtennetzwerke ausgerufen wurde – so wie jetzt Joe Biden. Doch Trump weigert sich, diese Rede zu halten. Somit wird der Prozess wichtig, der nach der Stimmabgabe des Volkes stattfindet. Ein Prozess, der sonst mit der Rede zur Formsache wurde.

Nun könnte es nämlich sein, dass Trump durch dutzende Klagen die Auszählungsvorgänge in den Bundesstaaten behindert. Und eigentlich braucht es die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger gar nicht. Denn der Präsident wird in den USA von den Wahlleuten gewählt, die sich heuer am 14. Dezember treffen werden. In Bundesstaaten, in denen eine Partei den Gouverneur stellt und die andere das Parlament dominiert, kann der Fall eintreten, dass der Gouverneur eine andere Gruppe an Wahlleuten abstimmen lässt als das Parlament – und die sich jeweils für den anderen Kandidaten aussprechen.

In dem Fall könnte Mike Pence als Senatsvorsitzender die Stimmen jener Staaten zurückweisen und das Repräsentantenhaus den Präsidenten wählen lassen. In diesem haben zwar die Demokraten nach Köpfen die Mehrheit, aber nicht nach Staaten – nach denen die Abstimmung dann stattfinden müsste. So könnte Trump doch noch Präsident werden. (Bianca Blei, 8.11.2020)