Während sich das Gerücht einer baldigen Schließung der Pflichtschulen zäh hält, schlägt ein Bildungsaktivist "Zwischenschritte" vor, um nicht ganz zuzumachen und dennoch Sicherheit zu ermöglichen.

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Wien – Mit 5.933 Infektionen binnen 24 Stunden schien die Corona-Statistik am Sonntag weniger drastisch als noch am Samstag zu sein; an diesem Tag wurde ein Plus von 8.241 Fällen registriert, für Österreich ein Allzeithoch.

Doch von Experten und aus dem Gesundheitsministerium kam keine Entwarnung: "Die Fallzahlen sind am Wochenende tendenziell niedriger als jene während der Woche", hieß es aus dem Büro von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne).

Halloween-Feiern und Umtrunke

Anschober kündigte zeitnah mögliche Verschärfungen an. Sollten die täglichen Neuinfektionszahlen nicht zurückgehen und es wie zuletzt weiter starke Zuwächse bei den Covid-19-Patienten auf Intensivstationen geben, würden die Maßnahmen zur Eindämmung der Seuche verstärkt, sagte er am Sonntag.

Das könnte sehr bald der Fall sein. Für die kommenden Tagen sehen der Geschäftsführer des öffentlichen Planungs- und Forschungsinstituts Gesundheit Österreich (Gög), Herwig Ostermann, und der Simulationsforscher Niki Popper in STANDARD-Gesprächen noch keine Wende.

Von Montag bis Mittwoch seien neue Negativrekordwerte möglich, denn hier können allfällige Infektionen von den vergangenen Halloween-Feiern sowie von den Umtrunken Montagabend vor Lockdown-Beginn zu Buche schlagen.

Anders als im Frühjahr

Überhaupt sei die Infektionsentwicklung rund um die neuen Einschränkungen jetzt im Herbst anders als im Frühjahr, sagte Popper: "Im März hatten wir einen Lockdown-Voreffekt. Die Infektionszahlen sanken rapide, weil viele Menschen ihre sozialen Kontakte schon vor Beginn der Maßnahmen stark eingeschränkt hatten. Das fällt jetzt im November weg."

Zudem hätten die Verschärfungsmaßnahmen, die bereits zwei Wochen vor dem jetzigen Lockdown gesetzt wurden, keine spürbare Entlastung gebracht. Umso länger, so Popper, könne es jetzt dauern, bis es zu einer Stabilisierung der Infektionszahlen komme – wobei er zuversichtlich sei, dass eine solche positive Entwicklung eintreten werde.

Immer die selben Leute treffen

In der Folge werde sich dann die Frage stellen, "ob die gesetzten Maßnahmen geeignet sind, die Fallzahlen substanziell zu senken". Derzeit müsse jeder und jede trachten zu verhindern, dass es zu einem Überspringen des Virus von einer Gruppe zur nächsten komme: "Wenn ich immer dieselben Leute treffe und auch diese sich so verhalten, werden im Fall einer Infektion nur Menschen aus dieser Gruppe erkranken. Das Virus kann sich darüber hinaus nicht verbreiten, die Infektionszahlen sinken tendenziell. Vernetzen sich die Gruppen hingegen, etwa im Rahmen besucherstarker Partys, kommt es zu großen Zuwächsen."

Keine Infos zu Verschärfungsschritten

Doch welche Verschärfungen sind überhaupt möglich? Hier hielt sich das Gesundheitsministerium am Sonntag bedeckt: "Die Experten und Expertinnen evaluieren laufend das Infektionsgeschehen, auf Basis dessen Empfehlungen für Handlungsmaßnahmen erarbeitet werden", hieß es als Antwort auf die Frage, ob konkret etwa Schulschließungen, weitere Einschränkungen für Handel und Dienstleistungen oder gar zusätzliche Ausgangsbeschränkungen angedacht seien.

Alternativen zur Schulschließung

Dass ein nächster Schritt im Zusperren der Pflichtschulen bestehen könnte, hält sich als Gerücht seit Tagen. Am Sonntag meldete sich dazu der Bildungsaktivist und ehemalige Lehrer Daniel Landau – "Ich bitte hier im Namen vieler Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern" – zu Wort: "Statt holzschnittartig vom Offenlassen oder Schließen von Schulen zu sprechen", richte er "einen Blick auf Zwischenlösungen", sagte er.

Immer mehr Studien gingen davon aus, dass Kinder ebenso Corona-infektiös wie Erwachsenen seien. Ein vorübergehendes Aussetzen der Unterrichtspflicht auf freiwilliger Basis wäre daher eine "sinnvolle Sofortmaßnahme". Eltern, die das leisten könnten, sollten Homeschooling machen können.

Elternvereine könnten einspringen

Auch Maßnahmen zur Virenkontrolle in den Klassenräumen seien binnen weniger Tage umsetzbar. Etwa der Ankauf von CO2-Mess- oder -Luftfiltergeräten; effiziente gibt es laut Max-Planck-Institut schon um 300 Euro. Detto der rasche Ankauf von FFP2-Masken für alle Lehrenden sowie die Finanzierung wirksamer Masken für alle Schulkinder: "Finanziell könnten hier auch die Elternvereine einspringen." (Irene Brickner, 8.11.2020)