Wenn das Mäusemännchen singt, tut es das auf sehr individuelle Weise.

Foto: Bettina Wernisch/Vetmeduni Vienna

Wien – Auch wenn der Mensch sie nicht hören kann: Dass Hausmäuse (Mus musculus) einander Ultraschall-Lieder vorträllern, ist schon länger bekannt. Auch dass es sich insbesondere bei der Balz um recht komplexe Gesänge handelt, ist seit einiger Zeit kein Geheimnis mehr. Nun aber haben Wiener Forscher gezeigt, dass die Lieder für einzelne Individuen ganz charakteristisch und auch über längere Zeit stabil sind. Die Signale könnten eine wichtige Rollen für die individuelle Erkennung der Tiere spielen, berichten die Wissenschafter im Fachjournal "Animal Behaviour".

Singen wider die Inzucht

Die komplexen Ultraschallvokalisationen (USV) der Hausmäuse wurden bereits in mehreren Studien untersucht. Dabei zeigt sich, dass weibliche Mäuse in der Lage sind, den Gesang von Geschwistern von jenem nicht verwandter Artgenossen zu unterscheiden und so vermutlich Inzucht zu vermeiden. Zudem weckt das Vorspielen von männlichen Balzgesängen erfolgreich das Interesse von Weibchen.

Die Wissenschafter um Dustin Penn und Sarah Zala vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersuchen die Lautäußerungen von wilden Hausmäusen, um ihre Funktionen zu ergründen. In der aktuellen Studie wollten sie bestimmen, welche Art von Informationen in den komplexen Balzgesängen der Männchen enthalten sind.

Weibchen provozieren Ständchen bei Männchen

Dazu zeichneten sie die Laute männlicher Mäuse über drei Wochen hinweg auf, jeweils bevor und nachdem sie den Männchen einen weiblichen Geruch als Reiz präsentiert hatten. Mit einer neu entwickelten Software ordneten sie jede Lautäußerung in Abhängigkeit von ihren besonderen akustischen Merkmalen einer von 15 Kategorien zu.

Ohne weibliche Reize produzierten die Männchen nur wenige oder gar keine Laute. Unmittelbar nachdem sie den weiblichen Geruch wahrgenommen hatten, begannen jedoch die meisten Männchen sofort zu "singen" und ließen eine große Anzahl und Vielfalt verschiedener Arten von USVs hören. Selten gab es auch einzelne Männchen, die still waren, selbst wenn sie ein Weibchen rochen.

Identität und emotionale Befindlichkeiten

"Zwischen den Männchen konnten wir – wie erwartet – sehr hohe individuelle Unterschiede in der Anzahl und Art der USVs feststellen", erklärte die Erstautorin der Studie, Maria Adelaide Marconi. Der Gesang der einzelnen Tiere war dabei im Laufe der Zeit überraschend konstant. Und die USVs zeigten in verschiedensten gemessenen Eigenschaften individuelle Identität. Mithilfe eines Algorithmus für maschinelles Lernen konnten die Forscher rund 90 Prozent der Aufzeichnungen dem richtigen Individuum zuordnen.

Den Wissenschaftern zufolge wird nahezu die gesamte Forschung zu USVs mit Inzuchtstämmen von Labormäusen durchgeführt. Dabei gibt es starke Hinweise darauf, dass die Gesänge Signale über den aktuellen emotionalen Zustand eines Individuums liefern. Die neuen Studienergebnisse weisen darauf hin, dass Lautäußerungen nicht nur Informationen dazu enthalten, wie es einem Individuum geht, sondern auch über seine Identität. (red, APA, 9.11.2020)