Volkstheater-Chef Kay Voges bringt seinen "Theatermacher" aus Dortmund (2018) nach Wien.

Foto: APA/ Hans Punz

Es sind turbulente Zeiten. Für das Volkstheater Wien gilt das in dreierlei Hinsicht. Das Haus hat mit Kay Voges einen neuen Direktor bekommen sowie eine Rundumerneuerung verpasst gekriegt. Und als die neue Glasfaserverkabelung saß, trat auch noch ein Virus auf den Plan, das einige Vorhaben pulverisierte. Die für den 8. Jänner 2021 anberaumte Wiedereröffnung des Theaters nach einem dreiviertel Jahr Pause wird den aktuellen Umständen entsprechend bedächtig vonstattengehen.

Ernst Jandls Stück der raum aus dem Jahr 1970, ein szenisches Gedicht für Beleuchter und Tontechniker, das ohne Text und Schauspieler auskommt (Regie: Voges), macht den Anfang. Diese Wahl hat hohen Symbolwert, zumal für eine Zeit, in der das Theater gezwungenermaßen innehält. Auch die zweite Premiere verläuft noch gemach: Black Box, ein individueller Audiowalk durch das Theatergebäude, konzipiert von Rimini Protokoll.

Hausautorin Lydia Haider

Beide Arbeiten kamen nun kurzfristig ins Programm. Voges hatte ursprünglich angekündigt, ein Drittel des Spielplans mit internationalen Koproduktionen bestreiten zu wollen. Das machen die derzeit geltenden Reisebeschränkungen aber unmöglich. Die geplante Eröffnungsoper Einstein on the Beach von Philip Glass, ein Minimalmusic-Happening, fiel ebenso aus wie ein großer Event mit Sängerin Peaches_– beides Produktionen, die das neue Musikprofil des Hauses gestärkt hätten.

Produktionen mit internationalen Künstlerinnen und Künstlern seien weggebrochen, so Kay Voges im STANDARD-Gespräch. Er bezeichnet die erste, verkürzte Saison als "Spielplan under construction" und hat dennoch elf Produktionen fürs Haupthaus im Talon – schließlich muss ein Repertoire von Null weg aufgebaut werden. Übernahmen aus der Ära Anna Badoras standen nie im Raum, auch weil durch die lange Spielpause Wiederaufnahmen schwer zu realisieren gewesen wären, so Voges.

Ins Repertoire übersiedeln im Jänner aus Dortmund Voges’ Genremix-Theatermacher sowie von den Kammerspielen München Drei Schwestern von Regisseurin Susanne Kennedy, mit der das Volkstheater eine längerfristige Zusammenarbeit plant. Die erste Uraufführung erfolgt am 16. Jänner mit Zertretung – 1. Kreuz brechen Oder: Also alle Arschlöcher abschlachten von Lydia Haider, die Hausautorin wird. Regie führt Kay Voges.

20 Ensemblemitglieder

Das Volkstheater hat nun 20 Ensemblemitglieder, fünf mehr als zu Badoras Zeit. Sieben Schauspieler hat Voges aus Dortmund mitgenommen, darunter Andreas Beck (er spielt im Theatermacher den Brus con) oder Friederike Tiefenbacher; vier stammen aus dem alten Volkstheater-Ensemble: Evi Kehrstephan, Claudia Sabitzer, Stefan Suske und Günther Wiederschwinger. Aus München kommt der famose Samouil Stoyanov hinzu, aus Graz Julia Franz Richter, aus Linz Anna Rieser. Weitere Schauspieler übersiedeln aus Berlin, Bielefeld, Göttingen oder kommen direkt von Schauspielschulen.

Im Zuge die Umbauarbeiten im Haupthaus (Café mit Gastgarten, Zentralgarderobe, fünf Eingänge), deren Kosten Corona-bedingt auf insgesamt 29 Millionen Euro angestiegen sind, konnte auch eine alte Spielstätte reaktiviert werden. In der sogenannten Dunkelkammer im Dachgeschoß werden im Frühjahr zwei Produktionen laufen, darunter auch das viel gelobte Avatar-Solo Uncanny Valley von Rimini Protokoll und Thomas Melle.

Zu den Produktionen im Haupthaus zählen weiters: Erniedrigte und Beleidigte, der erste Teil einer Dostojewski-Trilogie von Regisseur Sascha Hawemann; eine Uraufführung von Jonathan Meese, Kampf – L.O.L.I.T.A. (Evolution ist Chef); die München-Übernahme Études for an Emergency von Florentina Holzinger (DER STANDARD berichtete); In den Alpen/Après les Alpes von Elfriede Jelinek bzw. Fiston Mwanza Mujila (Regie:_Claudia Bossard) sowie noch Ende Jänner Gerhart Hauptmanns Einsame Menschen in der Regie des Puppentheatermachers Jan Friedrich, der stärker ans Haus gebunden werden soll.

Happening mit Pausen

Als Einmalereignis ist der filmische Mitschnitt einer Zwölfstundenoper von Ragnar Kjartansson geplant: Bliss, ein Happening mit selbst gewählten Pausen. Und schließlich noch zwei Regiearbeiten Voges’: Endspiel aus Dortmund und als österreichische Erstaufführung die geniale Wortkaskade Die Politiker von Wolfram Lotz.

Die Spielstätte Volx soll nur mehr en suite bespielt werden und auch als Probebühne dienen. Das Bezirkeprogramm, geleitet von Calle Fuhr, präsentiert wie gehabt vier Produktionen, die zum Teil bereits laufen. U. a. wird das Erinnerungsstück Heldenplätze uraufgeführt sowie Die Recherche-Show, in der Theater und Journalismus zusammentreffen. (Margarete Affenzeller, 9.11.2020)