Amazon plagt sich weiter mit Fake-Rezensionen.

Foto: AFP

Ein rudimentär konfigurierter Apache-Webserver eröffnete der Redaktion des "C't"-Magazins einen Blick in die Welt der gekauften Rezensionen auf Amazon. Dabei zeigte sich ein System von chinesischen Händlern, Mittelsmännern und Kunden, die schnelles Geld machen wollen. Ein anonymer Tippgeber brachte den Stein ins Rollen.

14.000 Screenshots als Beweis

Anfang Oktober erhielt die "C't"-Redaktion einen anonymen Tipp via Mail. Dieser führte zu einem Ordner mit knapp 14.000 Screenshots von Amazon-Bestellbestätigungen und Rezensionen. Dabei gehörte jeweils eine Rezension zu einer Kaufbestätigung. Offensichtlich wurde auch, dass sich in dem Ordner ausschließlich Fünf-Sterne-Bewertungen fanden. So kaufte etwa ein User einen Fahrradständer, zehn Tage später gab es die dazu verfasste Rezension mit Höchstwertung zu lesen.

Die "C't"-Redaktion kam zum Schluss, dass eine Gruppe oder eine Person mehr als 7.000 Fünf-Sterne-Bewertungen organisiert und die Belege dafür auf diesem Server archiviert hatte. Rezensionen auf Amazon sind schon seit längerer Zeit als Entscheidungshilfe umstritten.

Datenschutz missachtet

In den vorliegenden Fotos wurde noch ein weiteres Problem offensichtlich, denn in einigen Bestellbestätigungen waren Vor- und Nachname sowie die Anschrift der Person zu lesen, die eine maximale Bewertung für das Produkt abgegeben hat. Aber auch die Namen der Händler waren lesbar. Dabei war der Großteil der Firmen in China angesiedelt.

Als Kommunikationsmittel diente Telegram, wo mehrere solcher Gruppen existieren, um für chinesische Firmen positive Bewertungen zu sammeln. Dort werden von Bots dauerhaft Links zu Produkten von hierzulande unbekannten Firmen gepostet. Wird eines der Produkte gekauft, soll der Konsument die Rechnungsnummer und die Fünf-Sterne-Bewertung in den Kanal senden, damit via Paypal der gezahlte Betrag rückerstattet wird. Die Preisgrenze für den mehr oder minder kostenlosen "Einkauf" belief sich hier auf 50 Euro, zur Auswahl stand eine vielfältige Produktpalette von Mode bis hin zu Elektronik.

SWR Marktcheck

Sicherheitsleck ermöglicht Analyse

Die anonyme Quelle war selbst ein Teil dieses Systems. Erst als sie die Rückerstattung für ein Produkt nicht erhalten hatte, kam der Stein ins Rollen. Die Person setzte sich mit einem der Organisatoren der Gruppe in Kontakt.

Als Antwort bekam sie einen Screenshot aus einer App. Damit wollte der Organisator der Gruppe offenbar zeigen, dass er das Geld bereits überwiesen hatte. Das Foto zeigte aber auch die zwei Links, die in weiterer Folge erst die Recherche von "C't" ermöglichten. Damit war auch bestätigt, dass die Gruppe gegen Amazons Rezensionsrichtlinien und das Wettbewerbsrecht verstößt.

Möglich machte die Analyse erst eine Schlampigkeit der Gruppenbetreiber. Ein Webserver ohne eingerichteten Zugriffsschutz ermöglichte den Zugriff auf die dort gelagerten Daten. Seitens von "C't" wurden diese nach der Recherche wieder gelöscht.

Amazons vergeblicher Kampf

Bereits seit eniger Zeit versucht Amazon den Fake-Bewertungen gegenzusteuern. Eine eigene Software sowie ein Prüfteam sollen die zehn Millionen täglichen Rezensionen kontrollieren. Auch Kooperationen mit sozialen Medien und Zahlungsdiensten sollen helfen, den Fälschern ihr Handwerk zu legen.

Dennoch sind Kundenrezensionen, besonders wenn es eine auffällige Häufung guter Bewertungen für Noname-Waren gibt, kritisch zu betrachten. Erst im September deckte die "Financial Times" 20.000 Fake-Bewertungen auf, die von Amazon schließlich gelöscht wurden. (red, 9.11.2020)