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Elon Musks Pläne für die Besiedelung des Mars könnten noch einige juristische Auseinandersetzungen zur Folge haben.

Foto: REUTERS/Steve Nesius

Über Jahrhunderte hinweg waren es rein philosophische Fragen, spätestens seit den ersten bemannten Weltraummissionen wurden sie praktischer Natur: Wem gehört der Mond? Wem der Mars? Und wer darf den Rest des Weltalls samt den Ressourcen auf Asteroiden und Planeten sein Eigen nennen? Inmitten des Kalten Krieges und kurz bevor tatsächlich Menschen zum ersten Mal einen anderen Himmelskörper betreten sollten, wurde den Staaten die Dringlichkeit klar. 1967 einigte man sich deshalb auf den Weltraumvertrag – 110 Staaten haben ihn mittlerweile ratifiziert, darunter so gut wie alle Staaten, die im Weltraum in irgendeiner Form aktiv sind.

Etwas mehr als zehn Jahre später wollte man das internationale Vertragswerk nochmals engmaschiger ziehen und durch den Mondvertrag auch Unternehmen und Privatpersonen jegliche Eigentumsansprüche an Himmelskörpern absprechen – wie es bis dahin nur für Staaten galt. Auch eine militärische Präsenz sowie eine unfaire Behandlung von Staaten ohne eigenes Raumfahrtprogramm sollten unterbunden sowie eine Meldepflicht für Aktivitäten bei der Uno eingeführt werden. Weil nur 17 Staaten – darunter Österreich – den Vertrag unterzeichneten, gilt er als gescheitert. Ein großer Faktor war dabei die Lobbyarbeit der USA.

Immer mehr Private

In den vergangen Jahren verkomplizierte sich die Lage im All ein wenig. Der technische Fortschritt erlaubt es immer öfter auch privaten und kommerziell orientierten Firmen, unsere Erde zu verlassen in der Hoffnung, eines Tages Profite abzuschöpfen. Sie sparen dabei nicht mit großspurigen Ansagen und unterbieten einander regelmäßig, wenn es darum geht, wer denn nun den Mars als Erster besiedeln wird. Nicht gerade für seine Bescheidenheit bekannt ist auch der streitbare Space-X-Gründer Elon Musk.

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Als dieser Ende Oktober die Nutzungsbedingungen für die Betaversion eines anderen Megaprojekts – des weltumspannenden Satellitennetzwerks Starlink – präsentierte, wurden ein paar findige Völkerrechtler auf eine spannende Passage aufmerksam. Mit Starlink will Musk ja schon in wenigen Monaten zunächst die USA und später die gesamte Welt mit Internet versorgen. Unter dem Punkt "Governing Laws" beschreibt die Firma, dass man sich auf der Erde und auf dem Mond selbstverständlich an die Gesetze des Staates Kalifornien halten werde – wo die Firma auch registriert ist. Tatsächlich sind jegliche Aktivitäten von Firmen im Weltall an das Recht ihres jeweiligen Heimatstaats gebunden und dieser wiederum für die Aktivitäten im All verantwortlich. Sprich: Wenn die Space-X-Raketen Personen- oder Sachschäden im Weltraum anrichten, könnte dies auf die USA zurückfallen.

Kein "Mars nullius"

Nun schreibt Musks Firma aber weiter: "Für Serviceleistungen auf dem Mars oder auf dem Weg zum Mars via Raumschiff oder andere Formen von Raumflugkörpern betrachten die Vertragsparteien den Mars als einen freien Planeten, auf dem keine erdbasierten Regierungen Autorität oder Souveränität über die Aktivitäten auf dem Mars ausüben. Deshalb werden Dispute durch selbstverwaltete Prinzipien gelöst, die zum Zeitpunkt der Besiedelung des Mars in gutem Glauben abgehalten werden."

Blöd für Musk und seine Firma ist nur, dass der Mars nun mal kein Niemandsland ist, wie sie das gerne hätten. In Artikel 2 des Weltraumvertrags heißt es dazu: "Der Weltraum, einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper, unterliegt nicht nationaler Aneignung auf Grund von Souveränitätsansprüchen, durch Benützung oder Besetzung oder irgendeinen anderen Titel." Anders war und ist das auf der Erde. Inseln und Ländereien, die bisher niemand beanspruchte, konnten durch Reklamation für sich gewonnen wurde. Heute bestehen kaum noch sogenannte "Terra nullius", und wenn, dann ist ihr Status sehr umstritten oder vertraglich geregelt wie in der Antarktis.

Doch trifft dieser Passus auch auf private Firmen oder nur auf Staaten zu? Internationale Völkerrechtler sind sich da ziemlich einig: Ja, er gilt ebenso für Private. Zusätzlich gilt: Wenn eine Firma, die unter US-Aufsicht steht, internationales Recht quasi im Namen der USA bricht, machen sich die USA auch schuldig, das Völkerrecht gebrochen zu haben. Eine Rechtsordnung auf dem Mars zu etablieren, wie es Space X wohl gerne tun würde, käme jedoch einem hoheitlichen Gebietsanspruch gleich, der dann wiederum Artikel 2 des Weltraumvertrags bricht. Space X und Musk haben zwar teilweise recht, wenn sie behaupten, dass Staaten keinerlei Souveränität über den Mars haben, nur kann und darf die Firma selbst dort ebenso keinerlei Souveränität ausüben – weil der Mars laut den meisten Interpretationen eben eine "res communis" darstellt, was dem Vorläufer des "gemeinsamen Erbes der Menschheit" entspricht.

Mögliche Ausnahmen und künftige Schwierigkeiten

Tatsächlich aber steht in keinem Vertragstext explizit erwähnt, dass es sich beim Mars oder anderen Himmelskörpern außer Mond und Erde um das "gemeinsame Erbe der Menschheit" handelt. Im Weltallvertrag ist lediglich von der "province of mankind", nicht der "heritage of mankind" die Rede. In den deutschsprachigen Vertragstext übersetzt, bleibt dann nur mehr die "gemeinsame Sache der Menschheit" über. Dies wurde von jenen Staaten damals bewusst verwässert, die damit rechneten, dass man das Weltall vielleicht eines Tages doch zur persönlichen Bereicherung ausbeuten könnte.

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Bei der Erosion der Norm des gemeinsamen Erbes haben sich in den vergangenen Jahren besonders die USA hervorgetan, die unter der Trump-Regierung internationalen Verträgen und Zusammenarbeit ohnehin regelmäßig mit Missachtung begegneten. Was also bleibt noch vom internationalen Vertragswerk im Weltall? Klar ist, dass auf dem Papier wohl immer noch die überwiegende Mehrheit der Juristen und Politiker zustimmen würde, dass niemand den Mars für sich beanspruchen kann, auch nicht, wer als Erster dort ist und eine Mars-Kolonie errichtet.

Kolonialherren der Zukunft

So weit zur Theorie. Eine andere Frage ist freilich immer die Praxis. Sollten sich die USA oder private Firmen unter US-Aufsicht über die Verträge hinwegsetzen und sogenannte "effectivité" auf dem Mars ausüben, könnte sie wohl nur schwer jemand daran hindern. Der US-Schriftsteller Stephen Petranek prophezeit etwa, dass es auf dem Roten Planeten schon bald zugehen wird "wie im Wilden Westen". Die USA wissen aber auch, dass dann andere Staaten nachziehen dürften und ein langes und extrem kostspieliges Katz-und-Maus-Spiel die Folge sein könnte.

Das Schlimmste wäre wohl ein rechtsfreier Raum, wie etwa der Völkerrechtler Cristian van Eijk warnt – sowohl für das Konfliktpotenzial unter den Staaten als auch für die Menschen, die den Mars oder andere Planeten einmal kolonialisieren sollen. Auch für sie müssten unbedingt ähnliche Rechte wie auf der Erde gelten, um sie vor den Kolonialherren der Zukunft zu schützen, sagt van Eijk. Die Staaten der Welt wären also gut beraten, unter engerer Inbetrachtnahme der neuen Möglichkeiten der (teil)privaten Raumfahrt und unter Einbindung der neuen Space-Explorer ein Vertragswerk auszuhandeln, das genau jene Punkte, die bislang recht schwammig sind, nochmals konkret ausformuliert. Am besten, bevor die erste Marskolonie entsteht. (Fabian Sommavilla, 11.11.2020)