Durch die Waldbrände in Kalifornien sind heuer bisher 31 Menschen gestorben, mehr als 10.000 Gebäude wurden beschädigt oder zerstört.

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Es waren geradezu apokalyptische Bilder, die im Sommer über den Atlantik schwappten: San Francisco in einer dicken Rauchschwade, brennende Wälder und zerstörte Häuser. Mehr als 16.000 Quadratkilometer – das entspricht der Fläche der Steiermark – sind allein heuer und nur im Bundesstaat Kalifornien abgebrannt. Mindestens 31 Menschen sind dabei ums Leben gekommen. Auch auf der anderen Seite des Kontinents gibt es zahlreiche Tote zu beklagen. Denn noch nie haben so viele Tropenstürme in die USA die Landmasse erreicht wie heuer.

Dass all das mit der Erderwärmung zusammenhängen könne, ist für Donald Trump eine Mär. Darauf angesprochen, konterte der US-Präsident im September, die Wissenschaft habe ja keine Ahnung. Die Temperaturen würden schon sinken, man müsse nur abwarten. Ganz andere Töne sind vom Präsidenten in spe zu hören: Joe Biden will die USA bis 2050 klimaneutral machen, bis 2035 im Stromsektor auf erneuerbare Energien umsteigen und Subventionen für fossile Brennstoffe beenden.

Joe Biden will die USA bis 2050 klimaneutral machen.
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Die Erwartungen für die künftige Ausrichtung der US-Klimapolitik sind unter Beobachtern hoch, der Ausgangspunkt zugleich denkbar niedrig: Die Vereinigten Staaten sind nach wie vor der zweitgrößte Treibhausgasemittent der Welt; Trump hat mehr als 125 Umwelt- und Klimagesetze seines Vorgängers Barack Obama geschwächt oder rückgängig gemacht und ist aus dem Pariser Klimaabkommen ausgetreten.

Biden hat viel Aufräumarbeit vor sich, weder die Dringlichkeit des Themas noch seine politischen Kontrahenten sind ihm dabei eine Hilfe. Denn im Senat, ohne dessen Zustimmung Biden in vielen Bereichen die Hände gebunden sind, könnte es wieder zu einer republikanischen Mehrheit kommen. Das entscheidet sich allerdings erst im Jänner bei einer Stichwahl im Bundesstaat Georgia.

Chancen ohne Senat?

Haben die Klimapläne der Demokraten dann überhaupt eine Chance? Ja, sagt Gernot Wagner. Der Klimaökonom der New York University meint, dass sich vieles tun wird – mit oder ohne Senat. Zwar kann Biden ohne die Mehrheit keine Klimagesetze einführen, dafür hat er andere Möglichkeiten: Der ehemalige Außenminister John Kerry und die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez haben laut Wagner 56 Maßnahmen identifiziert, die die Administration auch so setzen kann.

Biden kann dabei zum Beispiel auf "executive orders" – Durchführungsverordnungen – zurückgreifen. Durch eine solche will Biden etwa als erste Amtshandlung dem Pariser Klimadeal wieder beitreten. Die Verordnungen gehen aber noch viel weiter. Biden könnte aus Sicht von Experten beispielsweise den Bau neuer fossiler Förderanlagen in öffentlichen Arealen einschränken; oder Energieeffizienzkriterien für Gebäude und den öffentlichen Sektor umsetzen.

Aber auch darüber hinaus hat Biden durchaus Handhabe – etwa über diverse Aufsichtsbehörden. Aus Sicht von Klimaökonom Wagner könnte etwa die US-Energiemarktaufsichtsbehörde einen CO2-Preis im Energiesektor einführen. Das wollte bereits Neil Chatterjee, der bisherige Chef der Behörde. Dieser wurde von Trump vor wenigen Tagen abgesetzt, nachdem er sich für ein Klimapreismodell ausgesprochen hatte. "Unter Biden würden diese Schritte natürlich gesetzt werden", meint Wagner. Personelle Veränderungen wird es wahrscheinlich auch in der US-Umweltbehörde geben. Der von Trump eingesetzte Chef, ein Erdöl-Lobbyist, wird seinen Job wohl kaum behalten.

Kehrtwende nötig

Wenn es Biden mit der Klimaneutralität ernst meint, wird er jedenfalls mehr tun müssen, als nur das klimapolitische Schlachtfeld seines Vorgängers aufzuräumen. Sollte er den Senat auf seiner Seite wissen, ist etwa ein gesetzlich verankertes Zwischenziel zur Emissionsreduktion unumgänglich. Und auch vom Fracking wird er sich verabschieden müssen.

Für Klimaforscher Wagner besteht jedenfalls Grund zu Hoffnung, dass Biden im Klimaschutz etwas weiterbringen wird: "In erster Linie wird es zu einer Rückkehr von Fakten und Expertise kommen." (Nora Laufer, 10.11.2020)