Auch Schweißer fehlen am Arbeitsmarkt – zumindest laut AMS-Andrangszahlen.

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Sollen trotz Rekordarbeitslosigkeit weiterhin zusätzlich ausländische Arbeitskräfte aus Drittstaaten nach Österreich kommen können – und falls ja, in welchen Berufen? Diese Frage steht derzeit im Zentrum eines Disputs zwischen den Sozialpartnern untereinander – in den nun auch Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) hineingezogen wird.

Dabei haben sich die Fronten verhärtet, nachdem Arbeitnehmervertreter und Arbeitgeber sich nicht auf einen gemeinsamen Vorschlag zu der sogenannten Mangelberufsliste einigen konnten, die via Verordnung vom Arbeitsministerium festgelegt wird.

Unter welchen Bedingungen Arbeitnehmer aus Drittländern außerhalb der EU nach Österreich kommen können, ist strikt geregelt. Einer der Wege führt über die Rot-Weiß-Rot-Karte für Mangelberufe. Der Vorteil dabei ist, dass ausländische Jobsuchende relativ leicht einen Mangelberuf ergattern können. Sie müssen zum Beispiel keine vorgegebene Gehaltsgrenze überschreiten, wie bei einigen anderen Varianten der Rot-Weiß-Rot-Karte.

Was zum Mangelberuf erklärt wird, muss von Jahr zu Jahr neu verhandelt werden.

Rechnerisch ergeben sich aktuell 56 bundesweite Mangelberufe. Dazu gehört Schweißer ebenso wie Dachdecker, Elektroinstallateur, Lokomotivführer, Augenoptiker und Krankenpfleger. Während die Arbeitgeber dafür plädieren, all diese Berufe auf die Verordnungsliste zu setzen, sagen Gewerkschaft und Arbeiterkammer, dass das viel zu viele seien.

Die Arbeitnehmer verweisen auf die angespannte Situation am Arbeitsmarkt: Aktuell sind 423.000 Menschen arbeitslos gemeldet oder befinden sich in einer AMS-Schulung. Das sind um 70.000 oder 20 Prozent mehr als vor einem Jahr. Bei der Dienstleistungsgewerkschaft Vida argumentiert man, warum 2021 Lokomotivführer aus dem Ausland geholt werden können sollen, wo die Westbahn doch gerade sieben Triebwagenführer kündige.

Von Köchen und Maurern

Zum Mangelberuf kann laut Gesetz jeder Beruf erklärt werden, wenn pro gemeldeter offener Stelle maximal 1,5 Arbeitssuchende registriert sind. Die AMS-Liste berücksichtigt die Entwicklung zwischen September 2019 und August 2020. Zu den erwähnten 56 bundesweiten Mangelberufen würden noch zahlreiche regionale Mangelberufe dazukommen, wie zum Beispiel Köche in Salzburg oder Maurer in Vorarlberg.

Bei den Arbeitgebern wird argumentiert, dass es offensichtlich sei, dass auch derzeit viele Jobs nicht besetzt werden könnten – sonst würden die fehlenden Stellen nicht auf der AMS-Liste aufschlagen. "Trotz Corona-Krise gibt es in vielen Branchen und Regionen einen Fachkräftemangel", heißt es aus der Wirtschaftskammer. "Die Qualifizierung von Arbeitslosen im Inland wäre dafür erste Wahl, wirkt aber erst längerfristig. Wir benötigen auch jetzt Fachkräfte, um nicht Wertschöpfung zu verlieren und damit zusätzlich die Wirtschaft zu schwächen."

Und weiter: Sogar wenn man sich nur die Entwicklung in den Monaten Oktober und September ansehe, zeige sich, dass in vielen Berufen Fachkräfte fehlten. Diese Argumente wollen Arbeitnehmer nicht akzeptieren. Sie fordern, die Listenerstellung anders zu machen.

Arbeitnehmer wollen keine automatische Listenerstellung

So sollte einfließen, was Unternehmen konkret dafür tun, um den Mangel an Fachkräften in einer Branche zu beheben. Etwa wie viele Ausbildungsplätze bereitgestellt würden, sagt Gernot Mitter, Jobmarktexperte bei der Arbeiterkammer. Nur wo sich Betriebe bemühen und es dennoch zu wenige Arbeitskräfte gibt, soll ein Mangel festgestellt werden können. Ansonsten können es sich Branchen leicht machen, weil sie immer wissen, dass sie sowieso auf Arbeitskräfte aus Drittstaaten zurückgreifen können.

Gegenargument der Arbeitgeber: In vielen Branchen fehle es am Nachwuchs, obwohl seit Jahren die Ausbildung forciert werde, so herrsche etwa ein notorischer Mangel an Dachdecker- und Zimmererlehrlingen in Österreich.

Das Gesetz sieht vor, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber zunächst versuchen, Einvernehmen über die Liste der Mangelberufe zu erzielen. Dieser Versuch ist für 2021 bereits gescheitert: Entscheiden muss nun Arbeitsministerin Aschbacher allein. Offiziell kommentieren will man das in ihrem Büro nicht, man bleibe mit den Sozialpartnern im Gespräch. Erwartet wird, dass vom Ministerium bald ein Verordnungsentwurf vorgelegt wird.

Massenprogramm ist die Rot-Weiß-Rot-Karte für Mangelberufe jedenfalls keines: Knapp unter tausend Mal hat das AMS im vergangenen Jahr eine Erteilung befürwortet. Final entscheidet über die Erlaubnis zur Einwanderung immer das Innenministerium. (András Szigetvari, 10.11.2020)