Einkaufen nur mit Maske – und nun auch nur bis 19 Uhr. Eine neue Verordnung verkürzt die Öffnungszeiten ab Mittwoch in ganz Österreich.

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Die Öffnungszeiten in Österreichs Handel sind ein Fleckerlteppich. Ab Mittwoch sind sie erstmals weitgehend einheitlich. Die Sozialpartner haben sich mit ihrem Wunsch durchgesetzt, die Geschäfte vorübergehend schon um 19 Uhr zu schließen. Ausgenommen sind Tankstellen, Automaten sowie Verkaufsstellen in Flughäfen und Bahnhöfen mit nicht mehr als 80 Quadratmeter Verkaufsfläche.

Basis dafür ist eine neue Verordnung des Gesundheitsministeriums. Ziel ist es, dass Kunden und Handelsangestellte rechtzeitig vor den Ausgangsbeschränkungen ab 20 Uhr daheim sind und soziale Kontakte folglich abends reduziert werden.

Freiwillige Selbstverpflichtung scheiterte

Im Ministerium selbst soll man sich nur schwer zu einer Verordnung durchgerungen haben, ist hinter den Kulissen zu hören. Eine freiwillige Selbstverpflichtung der Händler sei favorisiert worden. Doch diese scheiterte an einzelnen Handelskonzernen. Rewe, Spar, Hofer und Lidl machten verkürzte Öffnungszeiten von einer rechtlichen Grundlage abhängig. Da diese nun steht, halten sie sich daran. "Begeistert sind wir darüber aber nicht", sagt Spar-Sprecherin Nicole Berkmann.

Der Rechtsanwalt Georg Krakow hielt die Verordnung im Vorfeld juristisch für äußerst bedenklich. In ihrer aktuellen Ausführung sieht er weniger Angriffsflächen. "Sie könnte vor dem Verfassungsgerichtshof halten." Entscheidend ist, die Maßnahmen epidemiologisch ausreichend zu argumentieren. Warum dürfen Dienstleister, aber keine Händler mehr bis 20 Uhr offenhalten? Das Gesundheitsministerium macht den Unterschied an Terminvereinbarungen fest. Dienstleister könnten Kundenströme exakt steuern, Händler nicht.

"Möglicherweise notwendige Nachjustierungen"

Evidenzbasiert ist die Einschränkung der Öffnungszeiten freilich nicht. Denn auch am achten Tag des Lockdowns lässt sich die Wirkung der seit 3. November geltenden Maßnahmen nicht messen, da Änderungen bei den Infektionen erst mit einer Verzögerung von rund zehn Tagen festzustellen sind. Die Evaluierung soll in den nächsten Tagen erfolgen, hieß es aus dem Gesundheitsministerium. Bis dahin wolle man feststellen, ob eine weitere Verschärfung notwendig sei. Vorausschauend würden "möglicherweise notwendige Nachjustierungen geplant und vorbereitet".

Welche Verschärfungen das sein könnten und was die Parameter für die Entscheidung sind – Informationen dazu waren für den STANDARD nicht zu bekommen. Gegen eine Umstellung der Pflichtschulen auf Distance-Learning regt sich bereits Widerstand.

Peak bei Neuinfektionen noch nicht erreicht

Fix ist, dass die Ausgangsbeschränkungen zwischen 20 und sechs Uhr am Mittwoch im Parlament weitergeführt werden. Der Hauptausschuss des Nationalrats muss die Ausgangsbeschränkungen alle zehn Tage verlängern, während alle anderen Maßnahmen vorerst bis Ende November gelten.

Der Peak an Corona-Neuinfektionen (6.120 waren es am Dienstag) ist jedenfalls noch gar nicht erreicht. Der Simulationsforscher Niki Popper von der TU Wien erwartet in seinem Prognosemodell den höchsten Wert im Sieben-Tage-Mittel für Donnerstag. Erst danach soll die Zahl der Neuinfektionen wieder sinken. Wie stark und schnell, kommt auch darauf an, wie die Maßnahmen mitgetragen werden.

Für Popper ist die Reduktion der Freizeitkontakte der große Hebel: Es macht einen Unterschied, ob die Gesamt-Freizeit-Kontakte im Vergleich zur Zeit vor dem zweiten Lockdown um 70 oder nur um 50 Prozent eingeschränkt werden. Bei beiden Szenarien steht aber laut der Prognose fest: Die Zahl der Neuinfektionen dürfte nicht unter 2.000 Fälle pro Tag sinken. Selbst bei einer 95-prozentigen Freizeit-Kontakt-Reduktion – was dem Wert nach dem ersten Lockdown im März entspricht – dürfte es Ende November mehr als 1.000 Neuinfektionen pro Tag geben. An einen Start der Wintersaison wäre bei diesen Werten Anfang Dezember nicht zu denken.

Grafik: Der STANDARD

Dazu kommt, dass die Zahl der Corona-Erkrankten auf Intensivstationen noch einige Tage signifikant steigen wird. Die Gesundheit Österreich GmbH geht für Mitte November von rund 760 Corona-Fällen aus, die eine Intensivpflege benötigen. Aktuell sind 495 Intensivbetten durch Corona-Erkrankte belegt. Das ist im Vergleich zum vergangenen Freitag ein Plus von gleich 74 Personen. Dazu muss aber auch gesagt werden, dass in diesem Zeitraum auch Personen starben, die zuvor auf Intensivstationen lagen.

Angesichts voller werdender Stationen wird die Triage immer mehr zum Thema. Schließlich werden Intensivbetten auch für andere Erkrankungen oder Unfälle benötigt. In Oberösterreich wurden 50 Spitalsbetten in Corona-Intensivbetten umgewidmet.

Wiener Container-"Checkboxen" ab Donnerstag in Betrieb

In Wien gibt es derzeit keinen Engpass, wird aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) versichert. Aktuell benötigen 126 Corona-Erkrankte eine Behandlung auf der Intensivstation, 150 Betten stehen im derzeitigen Stufenplan für Corona-Fälle zur Verfügung. Bei Bedarf kann diese Kapazität verdoppelt werden – freilich mit Einschränkungen und Verschiebungen für andere Erkrankte.

Am Donnerstag werden übrigens die ersten drei Wiener Container-Ordinationen in Betrieb gehen. Dort können sich Betroffene mit Symptomen von Ärzten untersuchen lassen und abklären, ob diese doch Schnupfen-, Erkältungs- oder grippale Symptome sind. Eingesetzt werden auch Antigen-Schnelltests. Die Standorte der ersten Pilotphase dieser sogenannten "Checkboxen" befinden sich vor dem Laaerbergbad in Favoriten, auf dem Mildeplatz in Ottakring und in der Lavaterstraße 5 in der Donaustadt. (Verena Kainrath, Sebastian Fellner, David Krutzler, 10.11.2020)