Tausende Menschen haben am Mittwoch in Armenien gegen das Abkommen mit Russland und Aserbaidschan zur Beendigung des Krieges in Bergkarabach protestiert.

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Ankara/Moskau/Baku/Jerewan – Die Türkei und Russland richten ein Zentrum zur Überwachung der Waffenruhe zwischen Aserbaidschan und Armenien ein. Das Zentrum solle "auf von der Besatzung befreitem aserbaidschanischem Gebiet" entstehen, sagte der türkische Präsident Tayyip Erdoğan am Mittwoch in Ankara. Eine entsprechende Vereinbarung sei am Vormittag unterschrieben worden. Die Türkei werde sich zusammen mit Russland an Friedenskräften beteiligen, um die Umsetzung der Waffenruhe zu beobachten.

Dagegen stellte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erneut klar, dass das Zentrum zum Monitoring der Waffenruhe auf aserbaidschanischem Gebiet angesiedelt werde und nicht in Gebieten in Bergkarabach, die zuvor von Aserbaidschan erobert worden waren. "Nein, so haben wir das nicht verstanden", sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin. Er wies abermals zurück, dass auch die Türkei Friedenstruppen entsendet. "Nein, es wurde nicht über gemeinsame Friedenstruppen gesprochen."

Putin vermittelte Waffenruhe

Im Krieg um Bergkarabach war in der Nacht zum Dienstag unter Vermittlung Putins eine Waffenruhe zwischen Aserbaidschan und Armenien zustande gekommen. Kernpunkt der Vereinbarung ist die Entsendung von russischen Friedenssoldaten. Zudem gibt es territoriale Zugeständnisse. Bereits am Dienstag landeten die ersten von insgesamt rund 2.000 russischen Soldaten in der Region.

Der Konflikt um Bergkarabach ist schon Jahrzehnte alt. Aserbaidschan hatte in einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Kontrolle über das bergige Gebiet mit etwa 145.000 Bewohnern verloren. Seit 1994 galt eine brüchige Waffenruhe. Aserbaidschan beruft sich auf das Völkerrecht und sucht immer wieder die Unterstützung von seinem "Bruderstaat" Türkei. Armenien wiederum setzt auf Russland als Schutzmacht.

Dutzende Festnahmen bei Protesten in Jerewan

Deshalb ist der Frust in Armenien wohl auch so groß: Tausende Menschen haben in der Hauptstadt Jerewan gegen das Abkommen mit Russland und Aserbaidschan zur Beendigung des Krieges in Bergkarabach protestiert. "Nikol, tritt zurück!" und "Verräter!" skandierten die Demonstranten am Mittwoch. Sie fordern den Rücktritt von Regierungschef Nikol Paschinian, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete. Paschinian hatte das Abkommen mit dem Präsidenten Russlands und Aserbaidschans Ilham Aliyev unterschrieben – und damit die Proteste in seinem Land ausgelöst.

Die Polizei ging mit Gewalt gegen Demonstranten vor. "Heute beginnt die Bewegung zum Schutz der Heimat. Wir gehen bis zum Schluss", sagte der Oppositionspolitiker Artur Wanezian. Auf dem Platz der Freiheit versammelten sich bis 10.000 Menschen. Es gab dutzende Festnahmen – auch weil Kundgebungen wegen des geltenden Kriegsrechts und wegen der Coronavirus-Pandemie nicht erlaubt sind. Unter den Festgenommenen waren auch mehrere Parlamentsabgeordnete.

Paschinian verteidigte die Unterzeichnung des Abkommens. Auf diese Weise seien viele Menschenleben gerettet worden, sagte er. Das in der Nacht zum Dienstag ausgehandelte Karabach-Abkommen sieht die Rückgabe größerer Gebiete, die bisher unter Armeniens Kontrolle standen, an Aserbaidschan vor. Darunter sind auch wichtige Verbindungen zwischen Armenien und der Hauptstadt Stepanakert in Bergkarabach. (red, APA, 11.11.2020)