Jahrtausende altes Dörrobst aus Oberlaa.

Foto: APA/STADTARCHÄOLOGIE WIEN

Archäologen haben bei Ausgrabungen in Wien-Oberlaa einen bemerkenswerten Fund gemacht: Sie stießen auf die verkohlten Überreste eines rund 4.000 Jahre alten Wildapfels. Es handle sich um den ältesten Nachweis eines Apfels auf Wiener Boden, wie die Universität für Bodenkultur (Boku) Wien mitteilte. Die Fundumstände würden zeigen, dass der Wildapfel aus den umliegenden Wäldern stammte und wahrscheinlich als Wintervorrat eingelagert wurde.

"Der Apfel ist halbiert und offensichtlich gedörrt worden", sagte die Archäobotanikerin Marianne Kohler-Schneider von der Boku. "Wir kennen ähnliche Funde aus der Schweiz, wo halbierte Wildäpfelchen auf Bastschnüren aufgefädelt waren und als luftgetrocknetes Dörrobst gespeichert wurden." Wildäpfel seien in der Jungsteinzeit begehrte Sammelpflanzen gewesen und hätten als unersetzliche Vitaminlieferanten in den Wintermonaten gedient. "Das Oberlaaer Äpfelchen könnte auch auf einer Darre getrocknet worden sein, dürfte dabei ins Feuer gefallen sein und wurde anschließend in einer Abfallgrube entsorgt, in der es nach viertausend Jahren von uns entdeckt wurde", so Kohler-Schneider.

Wildapfel vom Laaer Berg

Der Fund gelang den Forschern der Stadtarchäologie Wien und der Boku in der in der Grundäckergasse. Dort befand sich schon 2.400 vor unserer Zeitrechnung eine bäuerliche Siedlung. Auch verkohlte Getreidekörner und Tierknochen wurden zutage gefördert. Sie geben einen Einblick in die Lebensgrundlagen der jungsteinzeitlichen Siedler von Oberlaa: "Neben dem Ackerbau, der sich auf Getreide wie Einkorn, Emmer und Gerste sowie auf Hülsenfrüchte stützt, spielte auch die Haltung von Rindern, Schweinen sowie Schafen und Ziegen eine große Rolle", sagte Martin Penz von der Stadtarchäologie Wien, der Grabungsleiter der Oberlaaer Fundstätte.

In der Siedlung wurde demnach auch dem Textilhandwerk mit Spinnen und Weben nachgegangen: "Wirtschaftlich und kulturell scheinen die jungsteinzeitlichen Bauern von Oberlaa Beziehungen vor allem ins Karpatenbecken gehabt zu haben, wie uns die Keramikfunde zeigen."

Obstbauern waren die frühen Bewohner Oberlaas hingegen nicht: Bei dem gefundenen Apfel handelt es sich mit Sicherheit um einen Europäischen Wildapfel (Malus sylvestris), wie betont wird. Die Vorfahren der Kulturäpfel – und damit der systematische Obstbau – erreichten laut den Wissenschaftern erst Jahrtausende später Mitteleuropa. Der Oberlaaer Apfel dürfte in den Wäldern geerntet worden sein, die damals den Laaer Berg und das Tal des Liesingbaches bedeckt haben. (red, APA, 11.11.2020)