Apples Vergleiche zwischen seinen M1-Macbooks und "herkömmlichen" Laptops werfen mehr Fragen auf als sie beantworten.

Foto: Apple

Bei der Vorstellung seiner neuen Macs mit dem eigenen ARM-basierten M1-Chip war Apple nicht gerade zurückhaltend mit Eigenlob. Gleich mehrmals blendete man Grafiken ein, laut denen er im Vergleich zu herkömmlichen x86-Plattformen deutlich mehr CPU- und GPU-Performance pro Watt liefern soll. Selbst der "PC Guy", bekannt aus den alten "Mac versus PC"-Werbespots, legte einen Gastauftritt hin, um dieser Überlegenheit Ausdruck zu verleihen.

Im Nachgang sorgt diese Darstellung allerdings für Kritik. Schneller als 98 Prozent herkömmlicher Laptops sollen Geräte wie das neue Macbook Pro sein, allein: Es mangelt an Beweisen. Und es sieht so aus, als hätte Apple sich für eine sehr spezifische Definition von Leistung entschieden.

Was ist Leistung?

Der M1 konkurriert in Sachen Leistungsaufnahme mit Intels Low-Power-CPUs wie der Atom-Reihe, Celeron, Core-M und Core-i3. Damit ausgerüstete Laptops sind üblicherweise aber selbst deutlich billiger als das Macbook Air. Dementsprechend sind Apples Angaben ob des Leistungsvorteils gegenüber der allermeisten x86-Notebooks doch stark in Zweifel zu ziehen. Es hat wohl gute Gründe, warum es noch kein 16-Zoll-Macbook-Pro oder einen Mac Pro mit M1-Chip gibt.

Foto: Apple

Tatsächlich fehlen selbst im Kleingedruckten genauere Angaben zu den Vergleichsgeräten. Festgehalten wird lediglich, dass man auf eigener Seite mit Vorproduktionsmodellen des Macbook Air, Pro und Mac Mini gearbeitet hat. Darüber hinaus hat man mit "Standard-Benchmarks aus der Industrie" gearbeitet und die Vergleichskonfigurationen über die Verkaufszahlen der letzten 12 Monate bestimmt hat.

Erwähnt werden eine Core-i5- und Core-i7-CPU mit integrierter Grafikeinheit und die "letzte verfügbare Version von Windows 10". Die konkreten Geräte und anderen Spezifikationen bleibt man ebenso schuldig wie die Generation der Intel-Chips und den Hinweis, dass der i5 und i7 auch in ihren mobilen Varianten nicht dazu gebaut wurden, ihr Leistungspotenzial bei 10 Watt abzurufen. Und in Ermangelung einer Angabe der "Testaufgabe" bleibt letztlich auch offen, was Apple hier als "Leistung" definiert.

Skepsis angebracht

Anders gesagt: Die von Apple vorgelegten Vergleiche sind pure Werbung und erlauben keine seriösen Schlussfolgerungen darauf, wie sich die neuen Geräte tatsächlich mit Windows-Notebooks vergleichen lassen. Erschwerend kommt hinzu, dass der M1 sein eigenes Potenzial scheinbar nur entfalten kann, wenn die ausgeführte Software auf ihn zugeschnitten wird. Wie es mit Programmen aussieht, die zumindest vorläufig nur über die Emulations-Ebene "Rosetta 2" laufen, bleibt ebenso abzuwarten.

Das soll alles nicht bedeuten, dass der M1 ein schlechter Chip ist. Mitnichten, hat Apple hier wohl den bisher leistungsfähigsten ARM-Prozessor, zumindest im Consumer-Bereich, aus der Taufe gehoben. Dass man über das Know-how dafür verfügt, beweist man mit der "A Bionic"-Reihe schon seit Jahren.

Foto: Apple

Kein eGPU-Support mehr

Und in Sachen Akkulaufzeit ist der angekündigte, große Fortschritt durch den Umstieg auch durchaus realistisch. Worüber man allerdings nicht gesprochen hat, sind fehlende Upgrades und weggefallene Features.

Beispielsweise hat der Umstieg zum M1 zur Folge, dass sich künftig keine externen Grafikkarten (eGPU) mehr an die Macs anschließen lassen. Das mag zwar nur eine sehr kleine Anzahl der Nutzer in der Praxis betreffen, bedeutet für diese aber, dass sie künftig ausschließlich auf die Kapazitäten der integrierten Grafikeinheit angewiesen sind. Diese mögen für einen ARM-Chip absolut beachtlich sein, den Vergleich mit dezidierten Grafikkarten wie einer RTX 3070 oder RX 6800 dürften sie realistisch gesehen aber haushoch verlieren.

720p-Webcam, kein Thunderbolt 4, weniger RAM

Verzichtet wurde außerdem auf ein Upgrade auf Thunderbolt 4 bei den beiden USB-C-Ports. Diese hätte immerhin einer Erhöhung der Bandbreite von 10 auf 20 Gbit/s im USB 3.2-Betrieb gebracht. Wird das Thunderbolt-Protokoll genutzt, bleibt es bei 40 Gbit/s, da sich Thunderbolt 3 und 4 hier nicht unterscheiden.

Einige Stimmen bemängeln auch schon, dass Apple der Webcam kein größeres Upgrade beschert hat. Ja, es gibt einen neuen Bildverarbeitungsprozessor, der die Farbdarstellung verbessern, Bildrauschen weiter reduzieren und die Gesichtserkennung schneller machen soll – aber er arbeitet immer noch mit dem bisherigen Kameramodul. Und das liefert eine – vor allem in diesem Preisbereich – längst nicht mehr zeitgemäße 720p-Auflösung.

Last but not least kommen noch Einschränkungen für die Bestückung mit RAM und SSD-Speicherplatz hinzu. Macbook Pro-Käufer hatten bei den letzten Modellen noch die Wahl, auf bis zu vier Terabyte Platz aufzurüsten und 32 GB RAM einzubauen. Mit dem M1-Modell halbieren sich diese Optionen. Das mag für die meisten Interessenten kein Problem sein, könnte aber dem einen oder anderen Poweruser sauer aufstoßen.

Abwarten

Apples Umstieg auf die M1-Plattform ist ohne Zweifel ein Meilenstein für den Konzern und dürfte in einigen Aspekten auch Vorteile für die Nutzer haben. Speziell die Angaben zur verbesserten Akkulaufzeit sind aufgrund der geringen Leistungsaufnahme des ARM-Chips durchaus realistisch. Doch wenn es um die Performance geht, sollte man den vorgelegten Zahlen mit großer Skepsis begegnen, denn Behauptungen, dass man 98 Prozent der herkömmlichen Laptops aussticht, sind in dieser Form schlicht irreführend.

Man sollte auf erste Rezensionen warten, um ein realistisches Bild der Kapazitäten und Limitierungen der neuen Hardware zu bekommen. Und Käufer müssen sich auch darüber im Klaren sein, dass dieser Wechsel auch bedeutet, dass Apple seinen "goldenen Käfig" nun noch stärker abgeriegelt hat. (gpi, 12.11.2020)