Martina Schneider ist Diplom-Ökotrophologin und zertifizierte Ernährungsberaterin. Vor kurzem erschien von ihr "Das gesunde Klima-Kochbuch. Schützt den Körper, schont die Umwelt" beim Trias-Verlag.

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Martina Schneider: "Das gesunde Klima-Kochbuch. Schützt den Körper, schont die Umwelt".
Trias, 2020
156 Seiten / 20,60 Euro

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Sich gesund ernähren – und damit auch noch das Klima retten: Das verspricht die deutsche Ernährungsberaterin Martina Schneider in ihrem neuen Buch "Das gesunde Klima-Kochbuch. Schützt den Körper, schont die Umwelt". Im Interview erzählt sie, an welchen Schrauben jeder bei seiner Ernährung drehen kann. Und sie verspricht: Das geht auch ohne Verzicht.

STANDARD: Welche Rolle spielt die Ernährung denn bei unserem CO2-Fußabdruck?

Schneider: Eine große. Vom Stall beziehungsweise vom Acker bis zu unserem Teller entstehen 30 Prozent aller weltweiten Klimagase. Das ist sehr viel. Die gute Nachricht ist aber: In diesem Bereich kann jeder etwas tun. Hier müssen wir nicht auf die Politik warten.

STANDARD: In Ihrem Kochbuch geht es um klimafreundliche und gesunde Ernährung. Welche Schritte können wir alle setzen?

Schneider: Zuerst einmal: Gemüse ist viel klimafreundlicher als Fleisch. Das kann man wirklich per se so sagen. Denn es ist viel weniger Energie notwendig, um Grünzeug anzubauen, als tierische Lebensmittel zu erzeugen. Und je geringer der Energieeinsatz, umso weniger Klimagas CO2 entsteht. Daher rate ich dazu, mehr Gemüse zu essen – und zwar regionale und saisonale Produkte. Nicht nur weil es das Klima schont, sondern auch, weil es viele gesunderhaltende Vitalstoffe enthält, die unseren Körper schützen. Regionale und saisonale Produkte bieten auch einen gesundheitlichen Vorteil, weil sie ausgereift sind, nicht zu früh geerntet und dann um die Welt geschifft werden, was wiederum viel Kohlendioxid verursacht. Geschmacklich besser sind sie obendrein. Wenn sie aus biologischem Anbau stammen, ist das noch einmal von Vorteil, weil auf stickstoffhaltige Düngemittel, die beim konventionellen Anbau zur Verwendung kommen, verzichtet wird.

STANDARD: Muss man Fleisch ganz vom Speiseplan streichen?

Schneider: Nein, aber es geht darum, dass wir die Mengen reduzieren und nur noch, so wie früher, ein- oder zweimal in der Woche Fleisch essen. Dass in Südamerika Regenwälder abgebrannt werden, hängt auch mit unserem Fleischkonsum zusammen, weil wir gar nicht mehr genug Landflächen haben, um Tierfutter anzubauen. Denn um eine tierische Kalorie zu erzeugen, müssen im Schnitt sieben pflanzliche Kalorien eingesetzt werden. Der Umwandlungsprozess von Pflanze in Fleisch ist also nicht sehr effizient. Der Fleischkonsum muss schon allein deshalb reduziert werden, um die Weltbevölkerung zu ernähren. In 30 Jahren sind wir zehn Milliarden Menschen. Mit unserer heutigen Ernährungsweise und einem weiter wachsenden Bedarf an Fleisch und tierischen Lebensmitteln werden wir diese Menschen nicht satt bekommen, weil so viel Land und Energie dafür nötig ist. Vom Tierwohl, das in der Massentierhaltung auf der Strecke bleibt, will ich gar nicht anfangen.

STANDARD: Wie schaut es mit Milchprodukten aus?

Schneider: Milchprodukte sind nicht grundsätzlich ungünstig für das Klima – sehr wohl aber in den Massen, in denen sie produziert werden. Diese Massentierhaltung verursacht die Probleme, weil die vielen Tiere große Mengen an Methan, ein Treibhausgas, ausstoßen. Milchprodukte werden in Rahmen einer gesunden Ernährung zwar weiterhin empfohlen, sollten aber nicht im Übermaß verzehrt werden. Und besser für das Klima ist es, wenn die Milch von kleineren Betrieben oder vom Biohof stammt.

STANDARD: Das klingt jetzt alles erst einmal nach viel Verzicht.

Schneider: Verzicht klingt gleich so negativ. Für mich ist das eher ein Prozess, in dem einem klar wird, dass man eine große Wirkung erzielen kann, wenn man nur kleine Dinge beim täglichen Konsum verändert. Es gibt viele unterschiedliche Schrauben, an denen man drehen kann. Jeder kann das in dem Umfang machen, in dem er oder sie das möchte.

STANDARD: Welche Schrauben gibt es denn noch?

Schneider: Es kann schon einen großen Unterschied ausmachen, wenn man nur noch mit Einkaufsliste einkaufen geht – und somit wirklich nur noch das kauft, was man braucht. Sonderangebote reizen oft dazu, große Mengen zu kaufen, die dann zu Hause ablaufen und weggeworfen werden. Man muss Lebensmittel nicht gleich nach dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums wegwerfen. Damit spart man sich Geld, und es dient dem Klima. Das hat alles nichts mit Verzicht zu tun.

STANDARD: Wo kann man beim Einkaufsverhalten noch etwas verändern?

Schneider: Wenn wir mit dem SUV in den Supermarkt fahren, ist die Klimabilanz eines biologischen Lebensmittels möglicherweise schon wieder miserabel. Es dient ja auch der eigenen Gesundheit, wenn wir uns wieder einmal bewegen und zu Fuß gehen oder mit dem Rad fahren. Man kann Einkaufsstätten ja auch nach der Erreichbarkeit auswählen. Noch ein wichtiger Aspekt ist die Verpackung. Je weniger Verpackung, umso klimafreundlicher.

STANDARD: Die richtigen Dinge einzukaufen ist aber beim schieren Angebot im Supermarkt gar nicht so leicht.

Schneider: Ja, dort gibt es Lebensmittel aus der ganzen Welt. Und man weiß teilweise gar nicht mehr, was gerade Saison hat. Aber in den letzten Jahren hat sich viel verändert. Mit Regionalität wird mittlerweile geworben. Das Bewusstsein, dass diese Produkte besser für die Gesundheit sind, kommt immer mehr an.

STANDARD: Ist eine klimafreundliche, gesunde Ernährung nur für die, die es sich leisten können?

Schneider: Nicht unbedingt. Wenn man gemäß einer ausgewogenen Ernährung weniger Fleisch und weniger Fertigprodukte und Fastfood konsumiert, spart man sich viel Geld. Eine naturbelassene Ernährung mit wenig verarbeiteten und saisonalen Produkten ist letztendlich günstiger als stark verarbeitete Lebensmittel. So kann man hochwertigere Lebensmittel kaufen, die manchmal etwas teurer sind. Dadurch ist diese Ernährung auch den Menschen, die nicht so viel verdienen, zugänglich. Es geht eher um die Bereitschaft, gewisse Gewohnheiten zu verändern.

STANDARD: Und was, wenn man im Supermarkt dann doch einmal zur Ananas aus Costa Rica greift?

Schneider: Schlechtes Gewissen ist immer ein schlechter Ratgeber. Essen soll Spaß machen. Und wenn die Basis stimmt, darf man auch ruhig einmal eine exotische Frucht essen. Das hat dann auch einen höheren Stellenwert, als wenn man das jeden Tag tut.

STANDARD: Bemerken Sie als Ernährungsberaterin, dass sich Menschen derzeit mehr mit dem Thema Ernährung beschäftigen?

Schneider: Ja. Das ist in Zeiten einer Pandemie wichtig, weil gute Ernährung immunstärkend ist. Jedes Gemüse, das zum Beispiel orange, gelb und rot ist, enthält viele Carotinoide. Ingwer wiederum hat Gingerole. Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und Nüsse enthalten Zink, Selen und Eisen. Wichtig ist außerdem das Wissen, wie man Nahrungsmittel richtig miteinander kombiniert, um das meiste aus ihnen herauszuholen. Viele Menschen denken ja, dass sie zu wenig Eiweiß zu sich nehmen, wenn sie das Fleisch weglassen. Dabei gibt es viele pflanzliche Nahrungsmittel, die sehr gute Eiweißquellen sind. Und eben auch bestimmte Lebensmittelkombinationen, bei denen sich die Eiweißausbeute verbessert. Kartoffel mit Ei hat zum Beispiel eine bessere Wertigkeit als Fleisch. Aber das weiß fast niemand! Eine weitere tolle Kombination sind Getreide und Hülsenfrüchte. Dal mit Reis ist eine ideale Kombination. (Franziska Zoidl, 21.11.2020)