Rennen sind für Athleten wie Vincent Kriechmayr gewissermaßen das Salz in der Suppe, Zuschauer "grundsätzlich ein großer Ansporn".

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Andreas Puelacher hat "kein Kopfweh mehr". Der Chef der alpinen Herren im Skiverband ÖSV war freilich symptomfrei, musste sich keine Gedanken über eine mögliche Virusinfektion machen. Dem Tiroler bereitete der Trainingsrückstand seiner Schützlinge Kopfzerbrechen, zumal das Sommertraining in Chile und jenes im November in Colorado wegen der Pandemie ausgefallen sind. Die fehlenden Abfahrtskilometer können die ÖSV-Athleten jetzt aber bei perfekten, weltcupähnlichen Bedingungen mit Geschwindigkeiten bis zu 130 km/h, schnellen Kurven und Sprüngen in Hochgurgl im hinteren Ötztal aufholen. "Wir können uns entfalten, wie wir wollen, sind jetzt auf Kurs", sagt Puelacher im Rahmen eines Zoom-Meetings.

Sorgen bereitet dem Sportlichen Leiter aber ein Blick in die nähere Zukunft. Der Winter ist wie immer unberechenbar, und in Val d’Isère, wo nach zwei Riesentorläufen der verspätete Speedauftakt am zweiten Dezemberwochenende steigen soll, sind die Pisten noch "grün".

Keine Herausforderung

Das Damoklesschwert Sars-CoV-2 schwebt zwar ständig über dem Skizirkus, mittlerweile aber ist dies Teil einer veränderten Normalität. "Die Situation ist inzwischen überhaupt kein Problem mehr. Es wird vom Ablauf schon fast normal. Die Stimmung ist hervorragend, alle sind hochmotiviert, jeder hat einen Grinser im Gesicht", sagt Puelacher. Dass der Speedweltcup nach der Absage der Rennen in Übersee heuer später beginnt und damit die erste Standortbestimmung auf sich warten lässt, sei "kein Problem".

Der diplomierte Sportlehrer berichtet von Fortschritten. Der Nachwuchs soll den Auftrag befolgt haben und näher an die Kapazunder herangerückt sein. "Einige haben einen Schritt gemacht, sie fahren teilweise schon Bestzeiten."

Für Vincent Kriechmayr und Matthias Mayer liegt die Latte freilich höher. Sie sollen und können um Kristall in den schnellen Disziplinen mitfahren. Puelacher: "Es muss unser Ziel sein, dass wir eine dieser zwei Kugeln holen."

Zwei Lichtgestalten

Kriechmayr hat im Sommer das Material gewechselt, schnallt nun wie Mayer Head an. Der Oberösterreicher hat eine neue Herausforderung gesucht, "um zu wachsen und aus dem Trott ein bissl herauszukommen", sagt der vom Schweizer Mauro Caviezel um drei Punkte geschlagene Zweite der Super-G-Wertung 2019/20. Der Ausfall der Amerikarennen sei für ihn verschmerzbar, auch wenn er natürlich in erster Linie Rennen fahren möchte. Dieses prickelnde Vergnügen beschränkt sich jedoch ohnehin auf nur wenige Minuten pro Jahr.

Vergangene Saison hatte Kriechmayr drei Siege geholt, die Abfahrt in Wengen sowie die Super-G in Gröden und Hinterstoder gewonnen. "Wir machen den Sport schon wegen dem Rennfahren, aber Skifahren ist Übungssache. Umso konsequenter man arbeitet, desto besser wird man." Dieser Prozess sei auch reizvoll. "Im Skisport steht man nie an, ist man nie perfekt."

Matthias Mayer (hier in Sölden im Einsatz, als er 25. und drittbester Österreicher wurde) stellt sich auf eine Saison ein, in der Vieles anders ist.
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Als grundsätzlich großen Ansporn bezeichnet Kriechmayr den Wettkampf vor Publikum, darum mache das Rennfahren auch so viel mehr Spaß als das Trainieren. "Aber wir nehmen es, wie es ist." Mayer bedauert den zu erwartenden Ausschluss der Öffentlichkeit vor Ort. "Das ist extrem schade für unseren Sport, weil wir von den Emotionen der Leute leben. Das wird uns sicherlich abgehen."

Die Läufer sind heuer gefordert, ihr Mindset an die veränderten und ungewissen Bedingungen anzupassen. "Es ist auf jeden Fall eine Umstellung, eine andere Situation, egal ob intern in der Gruppe oder beim Anstellen beim Lift", sagt Mayer, der sich bereits zig PCR-Tests unterziehen musste. "Die Spucktests sind kommoder als die, wo sie dir in die Nase fahren." Bislang lief es gut, Bedenken hat er aber hinsichtlich der Speed-Hochsaison im Jänner und Februar. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass einmal irgendetwas dazwischenkommen kann."

Vorerst gilt es geduldig zu bleiben. Mayer hofft, dass die Verhältnisse passen, wenn es dann losgeht. Und dass er an die vergangene Saison anschließen und den nächsten Schritt machen kann. "Es ist wichtig, gut in die Saison zu starten", sagt der Sieger von vier Bewerben der vorzeitig beendeten Saison 2019/20 – Super-G in Lake Louise, Kombination in Wengen, Abfahrten in Kitzbühel und Kvitfjell.

Hannes Reichelt hat ein wenig zugelegt und fühlt sich fit. Der Salzburger hat aber noch Nachholbedarf in Sachen Technik und Vertrauen in sein Können.
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Ein Dauerbrenner

Hannes Reichelts letzter Sieg (Aspen, 2017) liegt länger zurück. Der 40-jährige Routinier hat nach schwerer Knieverletzung nicht den Rücktritt verkündet, wohl wissend, dass ein Comeback auch scheitern kann. "Je älter man wird, desto mehr muss man sich überwinden, ans Limit zu gehen." Sollte es nicht funktionieren, dann könne er sich aber auch nichts vorwerfen. Das Knie funktioniere, die Technik müsse aber noch optimiert und das Vertrauen zurückgeholt werden. Der 13-fache Weltcupsieger hofft, mental wieder auf ein Level zu kommen, um richtig Gas geben zu können. (Thomas Hirner, 13.11.2020)