Die einen sehen hier nur eine schmucke Fassade, die anderen erkennen eine gute Geldanlage.

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Der Wiener Zinshausmarkt scheint immun gegen Corona zu sein. Zumindest sind die Preise, die für die altehrwürdigen Mietshäuser aus der Wiener Gründerzeit verlangt und in vielen Fällen auch bezahlt werden, seit dem Frühjahr noch einmal gestiegen.

"Die Nachfrage ist groß, das Angebot schwach." So fasst Gerhard Hudej vom Wiener Maklerbüro Hudej Zinshäuser die aktuelle Situation zusammen. Entsprechend teuer werden jene Häuser, die auf den Markt kommen, angeboten: Für Häuser in innerstädtischen Lagen liegen die Preise laut Hudej aktuell zwischen 5000 und 6000 Euro pro Quadratmeter. "Aber ob alle diese Preise letzten Endes auch bezahlt werden, wird man erst im Frühjahr im Grundbuch sehen", so Hudej. Denn die Preisvorstellungen potenzieller Verkäufer seien nicht immer realistisch. Im 22. Bezirk werde ein Zinshaus wohl eher nicht um 5000 Euro pro Quadratmeter weggehen, so Hudej. Nachsatz: "Noch nicht."

Haifischbecken Zinshausmarkt

Klar ist: Der Zinshausmarkt ist heißumkämpft und wird von manchem Marktteilnehmer sogar als "Haifischbecken" bezeichnet. Da überrascht es nicht, dass hier immer wieder auch weniger seriöse Player unterwegs sind. Zinshausbesitzer erhalten regelmäßig windige Anfragen per Post, in denen ihnen mitunter nicht nur rührselige Geschichten aufgetischt werden, sondern in denen sie auch gleich gefragt werden, ob sie ihr Haus nicht vielleicht verkaufen wollen.

Davon, auf ein solches Angebot einzusteigen, rät Zinshausexperte Hudej entschieden ab. Seiner Einschätzung nach werden solche Angebote in der Regel aber ohnehin nicht ernst genommen: "Zinshausbesitzer sind meistens Millionäre. Die lassen sich eh nicht über den Tisch ziehen." Auch weil sie heute viel besser informiert seien als früher.

Dazu hat auch das Maklerunternehmen Otto Immobilien beigetragen, das den Zinshausmarkt für einen Marktbericht regelmäßig analysiert. In der sehr strengen Auslegung des Unternehmens gibt es in Wien aktuell noch 13.857 echte Zinshäuser aus der Gründerzeit. Tendenz seit Jahren sinkend – etwa weil das Haus parifiziert wird und die Wohnungen abverkauft werden.

Ankäufe kommendes Jahr

Auch Richard Buxbaum, Wohnimmobilienexperte bei Otto Immobilien, sieht kein Ende des Zinshausbooms am Horizont. Ganz im Gegenteil: Derzeit würden sich aus Diversifikationsgründen auch Investoren mit Zinshäusern beschäftigen, die in dem Segment bisher nicht aktiv waren. Zwei Prozent Rendite würden ihnen reichen, "und wenn das Haus auch noch schön ausschaut, umso besser".

Sofern sich ein solcher Ankauf heuer nicht mehr ausgeht, plane man diesen eben für das kommende Jahr. Buxbaum weiß heute schon von altehrwürdigen Häusern, die im kommenden Jahr auf den Markt kommen werden. Etwa weil sich Erbengemeinschaften davon trennen oder weil private Vermieter ihre Häuser nicht mehr bewirtschaften wollen.

Mietausfälle durch Corona

Für manche hat sich diese Entscheidung durch die Corona-Krise beschleunigt, sagt Buxbaum: "Es gibt auch diejenigen, die wegen Corona mit Mietausfällen zu kämpfen haben, sowohl im Gewerbe- als auch im Wohnbereich." Das sei für manche das "Tüpfelchen auf dem i" gewesen, sie würden sich nun mühsame Gerichtsprozesse ersparen und daher verkaufen wollen. Manche Immobilien kommen auch im Rahmen von Portfoliobereinigungen auf den Markt.

Wer sich jetzt selbst auf die Suche machen will, sollte schnell sein. Die Nachfrage ist so groß, dass sich ein Haus in nur 24 Stunden verkaufen lässt. Zumindest theoretisch, so Buxbaum: "Allerdings ist dann nicht sichergestellt, dass man dafür den besten Preis bekommt." (Franziska Zoidl, 18.11.2020)