Die 51-jährige Ingeborg Zerbes wird jene Kommission leiten, die etwaige Behördenfehler vor dem Terroranschlag aufklären soll.

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Als Ingeborg Zerbes am Donnerstagnachmittag offiziell zur Leiterin der Terror-Untersuchungskommission erklärt wird, hält sie vor ihren Studierenden gerade eine Vorlesung über die "Lehre von Delikten" im Strafrecht. Digital, versteht sich – auch am Wiener Juridicum gibt es momentan keine Lehrveranstaltungen vor Ort.

Die 51-Jährige lehrt seit 2019 wieder als Professorin am Institut für Strafrecht und Kriminologie, zuvor war sie acht Jahre in Deutschland an der Uni Bremen. Nun soll die Wienerin im Auftrag von Innenminister und Justizministerin aufklären, warum die Behörden – allen voran der Verfassungsschutz – den Anschlag trotz Hinweisen auf die Umtriebe des Attentäters nicht verhindert haben.

Vor Zerbes’ Bestellung witterten die Oppositionsparteien bereits eine zahnlose Kommission, immerhin habe sich die Regierung den Vorsitz ohne Einbindung des Parlaments ausgeschnapst. Was außerdem gegen die politische Relevanz der Untersuchung spricht: Türkis-Grün hat schon jetzt ein umfassendes Antiterrorpaket mit gesetzlichen Verschärfungen vorgestellt, ohne auch nur irgendein Ergebnis der Kommission abzuwarten. Mit der Bestellung von Zerbes zeigt Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) allerdings, dass er es nicht auf ein türkis getünchtes Gefälligkeitsgutachten abgesehen hat.

Gefahren und lückenlose Kontrolle

In den rechtspolitischen Vorstellungen tun sich jedenfalls Welten zwischen der Polizeistaatsrhetorik der ÖVP und dem liberalen Zugang der Rechtsprofessorin auf. In ihrer 2009 eingereichten Habilitationsschrift beobachtete Zerbes etwa kritisch, dass "jeder Aufrüstung des staatlichen Eingriffsapparats kaum Einwände entgegengesetzt werden, wenn sie sich nur auf den Terrorismus beruft".

Auch in einem aktuellen Artikel warnt die Juristin davor, mittels immer neuer Tatbestände im Strafrecht schon weit vor jeder Tat durchgreifen zu wollen. Wenn etwa beim Thema Terrorismusfinanzierung schon die "Vorbereitung einer Vorbereitung" kriminalisiert werde, gehe das in Richtung eines "Gesinnungsstrafrechts", schreibt Zerbes. Auch Ideen zur Totalüberwachung zwecks Gefahrenabwehr oder gar einer Präventivhaft kommen bei Zerbes nicht gut weg: "Eine liberale Gesellschaft lässt sich nicht lückenlos kontrollieren. Sie muss – will sie liberal bleiben – gewisse Risiken hinnehmen." Bei Diskussionen zwischen der Kommissionschefin und dem Innenminister wäre man ja gern dabei. (Theo Anders, 12.11.2020)