Viele schwere Verläufe von Covid beobachten Intensivmediziner bei Menschen mit erhöhtem Blutzuckerspiegel.

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Das Coronavirus bringt viele versteckte Schwächen des Körpers ans Tageslicht. Bereits sehr früh in der Pandemie zeigte sich, dass Menschen mit Diabetes nach einer Infektion mit Sars-CoV-2 besonders schwer erkranken, deshalb verhältnismäßig häufig ins Spital müssen und ein hohes Risiko haben, an der Erkrankung auch zu sterben. Was anfangs nur Einzelfallbeobachtungen von chinesischen Medizinern waren, bestätigte sich während des großen Ausbruchs in Norditalien, zudem sahen die Ärzte sehr schnell, dass sich bei Menschen mit erhöhtem Blutzucker die Situation rapide verschlechtern kann.

Ein Forscherteam der Med-Uni Innsbruck entdeckte einen Zusammenhang zwischen einem chronisch erhöhten Blutzuckerspiegel und einem schweren Krankheitsverlauf bei Covid-19: Bei 85 Prozent aller behandelten Intensivpatienten konnte Diabetes oder Prädiabetes nachgewiesen werden.

Diabetes managen

Als die Fallzahlen in Österreich massiv stiegen, waren die Mediziner hierzulande gewappnet. "Wir wollten die Situation genau beobachten und haben kurzentschlossen ein Covid-Register für Diabetes in Leben gerufen", sagt Susanne Kaser, Diabetologin an der Medizinischen Universität Innsbruck und Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG). Insgesamt waren zehn Kliniken in ganz Österreich beteiligt. "Unser Ziel war es herauszufinden, ob es sich das Risiko eines schweren Verlaufs an konkreten Parametern festmachen lässt", sagt Harald Sourij, Leiter der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie an der Med-Uni Graz.

Der Hintergrund für dieses Register: Die ÖDG fordert seit Jahren vergeblich finanzielle Mittel für ein Diabetesregister in Österreich. Circa 800.000 Menschen haben die Diagnose Diabetes, die Dunkelziffer ist höher, es könnten 1,1 Millionen Menschen sein, deren Blutzucker erhöht ist. Durch das Erfassen der Daten von chronisch Erkrankten ließe sich die epidemiologische Lage besser als derzeit erheben, wäre es einfacher, Maßnahmen zu evaluieren oder neue Betreuungs- und Behandlungskonzepte auf die Beine zu stellen. Das Register "Diabetes und Covid" soll in einem kleinen Rahmen also auch zeigen, warum das Faktensammeln so wichtig ist.

Oft ins Krankenhaus

Das Ergebnis der Auswertung für den Zeitraum von Februar bis Juni ergab folgende Datenlage. Von den 239 Menschen mit Diabetes waren alle wegen eines schweren Verlaufs der Covid-19-Erkrankung hospitalisiert worden. 180 von ihnen hatten Diabetes Typ 2, elf Diabetes Typ 1, und 47 Menschen waren von Prädiabetes betroffen. Sie wussten von der Erkrankung nichts, erlebten aber einen schweren Verlauf. Interessant ist die Altersstruktur: Im Durchschnitt waren die Diabetespatienten auf Covid-19-Intensivstationen 71 Jahre alt. Sie mussten auch alle überdurchschnittlich lange, nämlich zwölf Tage, im Spital bleiben. Waren sie auf Intensivstation, betrug die mittlere Liegedauer sogar 17 bis 19 Tage. Zudem wurden im Rahmen des Registers auch zahlreiche Körperwerte zu Leber-, Nieren- und Herzfunktion registriert. "Uns geht es darum, frühzeitig Anzeichen zu finden, die auf einen schweren Verlauf hinweisen", sagt Harald Sourij, Leiter der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie, so könnten dann auch die Covid-Stationen ihre Ressourcen besser einteilen.

"Diabetes und Covid" ist insofern ein Tool, das nicht nur die medizinische Ressourcenplanung, sondern auch die Qualität der Behandlung verbessern wird, ist sich Sourij sicher. "Wenn es Daten gibt, dann kann man sich in danach richten und Patienten auch besser versorgen." Etwa auffällige Parameter erkennen, frühzeitig mit einer Beatmung beginnen oder eine Kortison-Behandlung einleiten. Denn auch das hat die Auswertung ergeben: Das Risiko steigt, wenn zusätzlich auch noch eine weitere Grunderkrankung, etwa an anderen Organen wie Nieren, Herz, Leber dazukommt. Von den 238 im Register registrierten Patienten verstarben 24,4 Prozent, "das ist eine extrem hohe Mortalität", so Sourji.

Projekt mit Zukunft

Doch so weit ist man mit dem Covid-Register noch nicht. "Man könnte dieses Register auch auf die Behandlung ausweiten", sagt Sourij, derzeit steigen die Zahlen der Menschen mit Diabetes in den Spitälern gerade massiv an, weiß er. Und auch hinsichtlich der Impfung ist es wichtig, eindeutig mit Fakten zu belegen, dass Menschen mit Diabetes im fortgeschrittenen Alter Priorität bei einer Impfung haben sollten. Und insgesamt hoffen sowohl Kaser als auch Sourij dass gerade die Corona-Krise gezeigt hat, wie wichtig exakte Daten für eine gute Versorgung sind. Vielleicht wird es in den nächsten Jahren tatsächlich ein Register für sämtliche Aspekte der Erkrankung geben. (Karin Pollack, 14.11.2020)