Der Handel dürfte demnächst wie im Frühjahr geschlossen werden.

Foto: APA/ROBERT JAEGER

Es ist die jüngste in einer langen Reihe von Hiobsbotschaften: Laut Statistik Austria hat der Oktober einen deutlichen Anstieg der Todesfälle gebracht, mit 1872 lag die Zahl in der letzten Woche des Monats um ein Viertel über dem Schnitt der letzten fünf Jahre. Angaben über die Ursache gibt es noch nicht, sehr wohl aber einen Verdacht – schließlich haben gleichzeitig die Corona-Infektionen massiv um sich gegriffen.

Mehr Ansteckungen, steigende Todesraten, drohender Notstand in den Spitälern: Die Entwicklung bringt die Regierung in eine Lage, in der sie nicht länger zuwarten kann. Für Samstagnachmittag planen ÖVP und Grüne, mit einem Großauftritt vor Kameras die Gegenoffensive einzuleiten. Erst sollen, so die Überlegung, Experten zu Wort kommen, um der Bevölkerung den Ernst der Lage klarzumachen. Dann will das "virologische Quartett" aus Kanzler, Vizekanzler, Gesundheits- und Innenminister verkünden, wie der seit zwei Wochen bestehende Lockdown verschärft wird. Überdies sollen Fachminister Details und etwaige Hilfsprogramme für die betroffenen Bevölkerungsgruppen erläutern.

Doch schon vor der Präsentation haben sich die Pläne recht deutlich abgezeichnet. Auf die Österreicher kommt eine Art Neuauflage des ersten Lockdowns aus dem Frühjahr zu. Im Zentrum stehen zwei Maßnahmen.

Nur wenige Ausnahmen

Wie bereits im März soll der Handel bis auf wenige Ausnahmen stillgelegt werden, auch Friseure, Kosmetikstudios und andere Dienstleister müssen zusperren. Offen halten dürfen nur Geschäfte, die Waren für den unverzichtbaren täglichen Bedarf anbieten, also Super- und Drogeriemärkte, Bäckereien, Apotheken und Trafiken. Eine Kompensation für den Umsatzentgang ist geplant.

Überdies wird der Lockdown nun auch sämtliche Schulen umfassen – in den letzten beiden Wochen standen ja noch Volksschulen und Unterstufen offen. Für die Kinder bedeutet das Distance-Learning, allerdings mit einer Hintertür. Zur Betreuung sollen Eltern ihre Schützlinge sehr wohl in die Schule bringen dürfen, schließlich haben manche aus beruflichen Gründen keine andere Wahl.

Für die Kindergärten ist das gleiche Prinzip vorgesehen: kein Normalbetrieb, aber Betreuung bei Bedarf. Entscheidend wird sein, wie Regierung und die für die Kindergärten zuständigen Länder den Plan diesmal umsetzen. Während des ersten Lockdowns haben manche Einrichtungen Eltern bei der Anfrage nach Betreuung abgewiesen, andere operierten mit moralischem Druck. Nachträglich stellte sich heraus, dass dies rechtlich nicht gedeckt war.

Die Regierung hat sich damals lange um eine klare Botschaft herumgedrückt. Ob das diesmal anders wird? Aus grünen Kreisen heißt es: Niemandem, der Kinder in Betreuung schickt, soll ein schlechtes Gewissen gemacht werden.

Streitfrage in der Koalition

Die Frage war lange umstritten: Bis zuletzt haben die Grünen dafür gekämpft, zumindest bis zu den Volksschulen hinauf offen zu halten, doch letztlich hat sich Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz durchgesetzt – nicht nur gegen den kleinen Koalitionspartner.

Noch am Donnerstagabend hat sich die Corona-Kommission gegen eine vollständige Schulschließung ausgesprochen. Stattdessen empfahl das Gremium, selbst für die zehn- bis 14-Jährigen offen zu halten, bei gleichzeitigen Präventivmaßnahmen wie einer weiter gefassten Maskenpflicht. Neben den Fachleuten stimmten auch die türkisen Länderchefs in der Kommission dafür. Die Vertreterin des Kanzleramts enthielt sich der Stimme.

Die Schulschlussgegner verwiesen auf eine neue Analyse, die auf jüngere Menschen abzielt. Das Papier, das dem STANDARD vorliegt, zeigt nicht nur, dass der Anteil der Gruppen bis 14 Jahren unter Infizierten der absolut niedrigste ist und in den letzten Wochen gesunken ist. Die Entwicklungskurven geben auch keinen Hinweis darauf, dass das Homelearning für die älteren Kinder seit Anfang November etwas gebracht hat, eher im Gegenteil: Bei den jüngeren, die noch in die Schule durften, hat sich der Anstieg nach den Herbstferien abgeflacht – ein möglicher Hinweis darauf, dass sich Kinder in der Schule weniger anstecken als beim Freizeitvergnügen.

Den Kanzler hat das nicht beeindruckt. Für ihn dürfte eher die Hoffnung den Ausschlag gegeben haben, dass mit den kleineren Kindern auch viele Eltern gezwungen sein werden, zu Hause zu bleiben.

Dem Vernehmen nach soll all das ab Montag oder Dienstag für zwei bis drei Wochen so bleiben. Sinken die Infektionszahlen so stark wie erhofft, könnte danach das Weihnachtsgeschäft anrollen. (Gerald John, Katharina Mittelstaedt, 13.11.2020)