Vier Menschen starben bei dem Terroranschlag, zahlreiche weitere wurden verletzt.

Foto: Christian Fischer

Neun Minuten waren es, die das Land erschütterten und weitreichende Folgen auslösten. Da wurde in Windeseile ein Terrorpaket auf den Weg gebracht, Ermittlungs- und Untersuchungsgruppen wurden eingerichtet und schmerzhafte Fragen aufgeworfen. Allen voran jene, wer neben dem Attentäter noch Schuld an alledem trägt.

Dennoch ist nun, zwölf Tage nach der Tat, immer noch vieles unklar, was die Nacht des 2. Novembers betrifft. Etwa der Weg des Täters in die Innenstadt. Die Ermittler arbeiten nach dem Ausschlussprinzip: Öffis kommen nicht infrage, zu Fuß gilt als unwahrscheinlich. Ein Taxi wäre eine Option. Oder aber ein privater Fahrer. Aus Ermittlungsakten geht jedenfalls hervor, dass sich noch in der Nacht der Terrortat mehrere Personen gemeldet hatten, die K. F. auf den Videos, die in sozialen Medien kursierten, erkannt haben wollen.

Klar scheint bisher: Es war "fix" nur ein einzelner Mann, K. F., an der eigentlichen Tat beteiligt, wie Michael Lohnegger, Leiter der eigens eingerichteten Ermittlungsgruppe, formuliert. Darüber, ob Mittäter in der Stadt waren, die nicht geschossen haben, gibt es noch keine Klarheit. Dem Vernehmen nach gibt es jedenfalls im mehr als 2000 Seiten langen Akt zu den Terrorermittlungen keine Hinweise auf etwaige Mitwisser. Die Behörden hätten ein "sehr weites Netz" ausgeworfen, sagte eine mit den Ermittlungen vertraute Person zum STANDARD.

Eine Fahrt in die Slowakei

Offene Fragen gibt es weiterhin auch zu den verwendeten Waffen. Zwar weiß man, dass die eine ein Nachbau eines AK-47-Maschinengewehrs ist und wohl in Serbien hergestellt wurde, die dazugehörige Munition soll teilweise aus China kommen. Die andere ist eine halbautomatische Tokarew-Pistole, für die Munition verwendet wurde, die wohl ebenfalls in Serbien hergestellt wurde.

Dass K. F. versucht hat, in der Slowakei Munition zu kaufen, ist bekannt. Akten, die dem STANDARD vorliegen, lassen nun aber Zweifel aufkommen, ob der Kauf tatsächlich gescheitert ist, wie bisher angenommen wurde. Neu ist, dass die Fahrt dahin nicht in einem Leihauto passiert sein soll, sondern im neu gekauften Auto seines Begleiters, eines ebenfalls als Mittäter Verdächtigen, wie dessen Anwältin sagt. Der Verdächtige soll außerdem "zum Zeitpunkt der Tat" versucht haben, K. F. von der Tat abzubringen, nachdem er vom Anschlag erfahren hatte.

Verfahren laufen mittlerweile gegen 21 Personen, die als Mittäter beschuldigt werden. Zehn davon sind in U-Haft. Die übrigen elf befinden sich laut Nina Bussek, Sprecherin der Wiener Staatsanwaltschaft, auf freiem Fuß. "Zum Teil" betreffe das auch Personen, die Vorstrafen aufweisen, "zum Teil" seien auch Anklageschriften eingebracht worden, das betreffe – teilweise – auch terroristische Delikte. "Ein großer Teil" sei aber unbescholten.

Politische Auseinandersetzung

Auch auf politischer Ebene dauern die Nachwehen an. Nachdem es offensichtlich zu groben Ermittlungspannen kam, wurde auch eine Untersuchungskommission eingerichtet, die diese Vorgänge beleuchten soll. Nicht ermittelt werde in dem Zusammenhang wegen des Verdachts auf fahrlässige oder vorsätzliche Gemeingefährdung, heißt es von seiten der Staatsanwaltschaft.

Die Kritik am Anti-Terror-Maßnahmenpaket der Regierung reißt währenddessen nicht ab. Das Paket beinhaltet etwa die Möglichkeit, Potenzielle terroristische Rückfalltäter "lebenslang wegzusperren", wie Bundekanzler Sebastian Kurz (ÖVP) es formulierte. Experten sehen hohe grundrechtliche Hürden. Hinter vorgehaltener Hand zeigen sich Vertreter der grünen Regierungshälfte nun verstimmt über das Wording des Kanzlers. Man sei meilenweit von einer Präventivhaft entfernt, ist man nun beeilt, zu betonen, und wolle sich einzig auf gefährliche Rückfallstäter konzentrieren. (Gabriele Scherndl, Fabian Schmid, 13.11.2020)