Soldaten der Armee von Mosambik auf Patrouille im Norden des Landes. Nicht nur den Islamisten, auch den staatlichen Truppen werden Menschenrechtsverstöße vorgeworfen.

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Die Warnungen werden immer verzweifelter. Seit Jahren sprechen Hilfsorganisationen und NGOs von einem gefährlich schwelenden Konflikt, der sich im Norden Mosambiks langsam ausbreitet. Nun aber erst scheint in dem südafrikanischen Staat eine Schwelle an Grausamkeit überschritten, die auch für Aufmerksamkeit bei der Uno und internationalen Staatschefs sorgt. Anfang der Woche sollen Anhänger der islamistischen Miliz Ahlu Sunnah Wal Jammah in der Stadt Muatide Dutzende Männer und männliche Jugendliche in einem Fußballstadion enthauptet haben. Frauen und Mädchen nahmen sie mit. Mehrere Hunderttausend Menschen sind innerhalb der Region auf der Flucht. Einige Tausend haben auch die internationalen Grenzen in Richtung des benachbarten Tansania überschritten. Uno-Generalsekretär Antonio Guterres und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron teilten deshalb nun ihre Besorgnis mit.

Außerdem geht es in diesem Konflikt aber einmal mehr um viel Geld – und um die Bodenschätze des Landes. Erdgas im Wert von mehr als 60 Milliarden US-Dollar lagert im Meer rund um die Region Cabo Delgado. Nach Plänen der Regierung in der Hauptstadt Maputo, weit im Süden des Landes, sollen die Einnahmen aus dessen Abbau dem ganzen Land einen massiven Entwicklungssprung verschaffen.

Bisher hat sich für die Bewohner von Cabo Delgado allerdings ziemlich wenig getan. Oder jedenfalls kaum Positives: Sie wurden von den Küstengebieten, wo sie sich mit Fischerei materiell über Wasser halten konnten, ins Landesinnere umgesiedelt, was den Ärger über den Gasabbau wachsen ließ. Und die Gewinne aus den bisherigen Gaseinnahmen kamen ihnen kaum zugute – die Region ist noch immer die ärmste in dem ohnehin sehr armen Staat.

Extremistische Banditen

So erklärt sich wohl auch, wie in der vormals religiös toleranten Region der Nährboden entstand, auf dem eine islamistisch-extremistische Miliz gedeihen konnte – wobei über den exakten religiösen Background der Gruppe ohnehin noch immer Unklarheit herrscht. In der Umgangssprache in Cabo Delgado wird sie manchmal als "Al Shabaab" bezeichnet, mit der gleichnamigen somalischen Extremistenmiliz hat sie aber wenig zu tun.

Offiziell hat sie vielmehr der Terrormiliz "Islamischer Staat" die Treue geschworen. Ihre Taten lassen aber vor allem auch an irdisch-materielle Ziele denken. Mit Schmuggel, Erpressung, Wilderei, Bergbau und Rodungen soll die Gruppe mittlerweile Millionen an Dollar verdienen. Vielleicht auch deshalb genießt sie, wie mehrere NGOs zuletzt berichteten, trotz ihrer Brutalität weiter Zulauf durch junge benachteiligte Männer aus der Bevölkerung.

So und anders: Der Konflikt in der Region hat die wirtschaftliche Entwicklung im Norden des Landes, die seit dem Zyklon Idai vom März 2019 ohnehin schon stark geschädigt war, noch weiter zurückgeworfen. Ein gemeinsames Projekt der Regierung in Mosambik mit dem norwegischen Düngemittelhersteller Yara, mit dem Teile der Gasproduktion zur Düngerherstellung für die örtliche Bevölkerung verwendet werden sollten, ist jüngst gescheitert, weil Maputo der Firma keinen Maximalpreis für das Gas garantieren wollte. Die Untätigkeit in Maputo hat Folgen. Wer nicht, etwa via Boot, in die Provinzhauptstadt Pemba fliehen kann, der ist ein leichtes Opfer für die Radikalisierungskampagnen der Islamisten – oder für die Zwangsrekrutierung.

Söldner aus allen Weltgegenden

Zugleich werden auch der Armee immer öfter Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Von Folter ist die Rede, aber auch von Vergewaltigungen und außergerichtlichen Exekutionen. Zudem hat die Regierung Söldnertruppen angeheuert. Dazu zählen solche aus Südafrika – aber auch die regierungsnahe russische "Wagner Group", die etwa auch in Syrien und in der Zentralafrikanischen Republik tätig ist. Sie hat 2019 die Aufgaben von "Academi" übernommen. Das ist jene Truppe im Sold des Donald-Trump-nahen Geschäftsmannes Eric Prince, die früher Blackwater hieß und im Irak an massiven Menschenrechtsverstößen beteiligt war.

Dass gerade jetzt Südafrika und auch Frankreich auf das brutale Vorgehen der Islamisten aufmerksam wurden, könnte auch mit dem Vorstoßen der Miliz in die Stadt Mocimboa da Praia im August zu tun haben. Dort befinden sich auf einer von Spezialtruppen gesicherten Halbinsel die landgestützten Teile der Offshore-Gasanlagen – und dort ist auch der wichtigste Hafen der Region, von dem aus viele der umliegenden Binnenstaaten mit Gütern versorgt werden.

Zu den Firmen, die besonders in Mosambiks Erdgas investiert haben, zählen auch die südafrikanische Sasol und die französische Firma Total. Zudem wächst wegen der zahlreichen Flüchtenden, die sich in dicht gedrängten Lagern aufhalten, die Angst vor Krankheiten. Sowohl Cholera als auch Covid-19 breiteten sich in Cabo Delgado zuletzt deutlich massiver aus als im Rest des Landes. (Manuel Escher, 13.11.2020)